Chancen einer diplomatischen Lösung des Kaukasus-Kriegs

Interview im Mannheimer Morgen, 12. August 2008   

Walter Serif: Herr Erler, der Kaukasus-Krieg hat die EU kalt erwischt. Hat sie die Hilflosigkeit überrascht?

Gernot Erler: Hilflosigkeit? Alle Kräfte bemühen sich doch um eine Deeskalation. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier konnte seine georgische Amtskollegin immerhin davon überzeugen, wie wichtig Kontakte mit der Gegenseite sind. Es gab schon erste Gespräche. Das ist ein Lichtblick.

Walter Serif: Die EU hat sich inzwischen offiziell als Vermittlerin eingeschaltet.

Erler: Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner hat in Tiflis zuerst einmal den Vier-Stufen-Plan der EU vorgestellt. Dieser sieht eine Feuerpause vor, die Versorgung der Verletzten, den Rückzug der Truppen und die Aufnahme von Verhandlungen. Heute wird die EU-Mission nach Moskau reisen.

Walter Serif: Steckt hinter Russlands harter Gangart nicht auch eine Warnung an das Bündnis - nach dem Motto: Lasst die Finger weg von unserem Hinterhof? Georgien will ja NATO-Mitglied werden.

Erler: Von diesen Spekulationen halte ich nichts. Nach wechselseitigen Provokationen ist ja zunächst Georgien in Südossetien einmarschiert. Damit wurden aber automatisch die 500 dort stationierten russischen Friedenssoldaten in die Auseinandersetzungen hineingezogen. Dies ist auch die offizielle Begründung Russlands für sein militärisches Eingreifen. Ich glaube nicht, dass Russland der NATO seine militärische Stärke vorführen wollte.

Walter Serif: Warum ist Georgien überhaupt in Südossetien einmarschiert, die militärische Überlegenheit Russlands ist ja kein Geheimnis? Erler: Klar ist nur: Georgien hat auf die zunehmende Gewalt an der Grenze zu Südossetien reagiert. Alles andere sind Vermutungen, die uns ohnehin nicht weiterbringen. Es geht nicht darum, Schuld zuzuweisen. Wir müssen die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch bringen.

Walter Serif: Welche Rolle spielt Außenminister Steinmeier? Er war kürzlich in der Krisenregion - leider mit bescheidenem Erfolg.

Erler: Das stimmt so nicht. Außenminister Steinmeier führte wichtige Gespräche in der Region. Er konnte ein Arbeitstreffen in Berlin vereinbaren, an dem alle Konfliktparteien teilnehmen wollten. Leider ist jetzt der Krieg dazwischengekommen.

Walter Serif: Sie sehen also Deutschland durchaus als Vermittler?

Erler: Natürlich. Wir haben uns ein Vertrauensverhältnis zu Moskau und Tiflis aufgebaut. Das hilft uns jetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft am Freitag den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Das gibt uns die Chance, den deutschen Standpunkt sehr deutlich vorzutragen.

Walter Serif: Sollte sie nicht lieber mit Wladimir Putin reden, der ist zwar nur noch Premierminister, gibt aber noch immer den Ton an?

Erler: Für die Außenpolitik ist in Russland der Präsident zuständig.

Walter Serif: Im Fernsehen sieht man fast nur Putin.

Erler: Vielleicht im deutschen. Sie müssen das russische Fernsehen einschalten oder die Zeitungen lesen. Dann werden sie merken, dass die entscheidenden Aussagen Präsident Medwedew trifft.

Walter Serif: Die USA haben inzwischen Russland scharf angegriffen. Ist das die richtige Strategie?

Erler: Ich glaube, wir sind uns einig, dass man Moskau deutlich ermahnen muss, jetzt die Militäraktionen einzustellen. Immerhin hat Russland inzwischen die militärische Kontrolle über Südossetien, und Georgien ist offensichtlich bereit, fast alle Bedingungen zu akzeptieren. Deshalb hat Tiflis ja eine einseitige Waffenruhe verkündet. letztmüssen die Russen reagieren, das ist auch das Ziel der Vereinigten Staaten. Von daher ziehen wir an einem Strang.