Erler: Hilfe in Birma kommt endlich an

Interview im Deutschlandfunk, 26. Mai 2008 

Staatsminister sieht positive Entwicklung bei Katastrophenhilfe

Moderation: Elke Durak

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, sieht Fortschritte bei der Hilfe für die Opfer der Wirbelsturm-Katastrophe in Birma. Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks könnten derzeit ungehindert arbeiten, sagte Erler. In der Stadt Bogale im besonders stark betroffenen Irawadi-Delta werde mit der Verteilung von Frischwasser begonnen. Der SPD-Politiker, der Deutschland bei der gestrigen internationalen Geberkonferenz in Rangun vertrat, versicherte, dass die Hilfsgelder nicht an die Militär-Regierung flössen.

Elke Durak: Die ersten THW-Helfer sind im Irawadi-Delta Birmas eingetroffen. Seit gestern Abend läuft frisches Wasser in einer der verwüsteten Städte, berichtete am späten Abend der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler aus Rangun. Er vertrat dort die Bundesregierung bei der gestrigen internationalen Geberkonferenz für die Opfer in Birma. Wir haben ihn heute Morgen erreicht, kurz vor seinem Rückflug nach Berlin, und ich habe ihn zunächst gefragt, ob er inzwischen Stunden später weiß, ob und dass die THW-Leute weiter ungehindert helfen können.

Gernot Erler: Die fünf THW-Helfer, die gestern nach fünfstündiger Fahrt in dem Ort Bogale mitten im Irawadi-Delta eingetroffen sind, arbeiten ungehindert. Sie konnten heute Nacht einen Tank füllen und ab heute Morgen sind sie unterwegs dort mit Tankwagen. Man muss sich das so vorstellen: Ein LKW mit einer Blase mit dem frisch gemachten Wasser und per Lautsprecher wird das auch durchgegeben, dass jetzt sauberes und keimfreies Wasser im Angebot ist. Das Wasser wird also jetzt in dem Ort auf diese Weise mit mehreren Fahrzeugen verteilt. Wir hoffen, dass das eben nicht eine Eintagsfliege ist, dass das nicht eine Sondersituation ist. Ich komme jetzt gerade von einem Gespräch mit 15 Vertretern von Hilfsorganisationen hier vor Ort in Rangun, wo wir unterschiedliche Nachrichten bekommen haben. Aber alle hoffen, dass sie jetzt ungehindert in Zukunft auch eben mit den ausländischen Spezialisten aus westlichen Ländern zu den bedrohten Menschen kommen können und dort ihre Hilfsaktionen durchführen können.

Durak: Was heißt das "unterschiedliche Nachrichten"?

Erler: Wir haben zum Beispiel einen Bericht vom Deutschen Roten Kreuz bekommen, die hier einen Partner vor Ort haben, die auch ein MOU, ein Memorandum of Understanding mit der Regierung haben. Die konnten schon 650 Tonnen Hilfsgüter hier hereinbringen ins Land und die Hälfte davon verteilen. Die haben also einen sehr etablierten Status. Aber wir haben eben auch andere Beispiele von Hilfsorganisationen, die eben nicht einen solchen offiziellen Partner hier vor Ort haben und die jetzt darauf angewiesen sind, dass diese neue Regelung, die von der Regierung angekündigt und gestern auf der Konferenz noch mal bestätigt worden ist, wirklich um die Praxis umgesetzt wird. Da werden wir auch von der Botschaft hier und auch von dem Krisenstab humanitäre Hilfe von Deutschland aus weiter versuchen, unser Möglichstes zur Unterstützung von dieser Arbeit hier vor Ort zu tun.

Durak: Herr Erler, Finanzhilfe in Millionenhöhe sind auf der Geberkonferenz zugesagt worden, an der Sie als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland teilgenommen haben. Wie ist denn sicherzustellen, dass das Geld nicht in irgendwelchen Taschen verschwindet oder von der Militärführung selbst zweckentfremdet wird?

Erler: Ich kann Ihnen für die deutsche Seite zunächst einmal sagen, dass nicht ein einziger Cent in die Tasche der Militärregierung hier wandert, sondern dass wir das bisher zur Verfügung gestellte Geld - und das sind insgesamt vier Millionen, davon drei Millionen aus dem Auswärtigen Amt - ausschließlich in die Besorgung von Hilfsgütern gesteckt haben, die hier hergebracht worden sind - ich selber bin ja gestern Morgen hier mit einer Maschine mit acht Tonnen weiterer Hilfsgüter eingetroffen, die alle von uns finanziert worden sind, und das war schon der dritte Flug dieser Art -, dass wir eben diese Hilfsgüter auch kontrolliert lediglich in die Hände von internationalen Organisationen beziehungsweise von den NGOs, die hier tätig sind, geben, so dass völlig klar ist, dass das keine Unterstützung der Militärregierung darstellt. In dieser Art und Weise verfahren auch die meisten anderen hier. Das heißt auch die Zusagen, die die EU jetzt noch mal aufgestockt hat - sie hat bisher im Rahmen von humanitärer Hilfe 46 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und hat jetzt gestern noch mal eine Ankündigung gemacht, dieses um 17 Millionen zu erhöhen -, sind ausschließlich humanitäre Hilfe, die direkt den betroffenen Menschen zugute kommt. Da ist also keine Budget-Hilfe, das heißt nichts dabei, was durch die Kassen der Regierung fließt.

Durak: Die Militärführung spricht schon von Wiederaufbau. Sie und viele andere sprechen immer noch von Nothilfe. Wie kommt man da zusammen?

Erler: Ja. Das war ein Spannungsbogen, der sich auch bei dieser Konferenz wieder ergeben hat. Die Regierung, die natürlich eigentlich gar nicht möchte, dass in Frage gestellt wird, dass sie in der Lage ist, in dieser schrecklichen Katastrophe die notwendige Hilfe zu geben, geht von der These aus, dass diese erste Phase, wie sie das nennt, der humanitären Hilfe, der Nothilfe beendet ist und dass wir uns schon in der zweiten Phase befinden. Aber bei der Konferenz gestern hier in Rangun haben die meisten Sprecher der anwesenden 51 Staaten deutlich gemacht, dass sie das anders sehen und dass sie durchaus wissen und davon ausgehen, dass noch Zehntausende von Menschen überhaupt noch keine Hilfe bekommen haben, aber sie dringend bedürfen. Insofern sind die Zusagen, die dort auf der Konferenz gemacht worden sind, keine Zusagen für Aufbauhilfen, sondern die beziehen sich alle auf die nach wie vor bestehende akute Notlage, bei der auch weiter Spenden benötigt werden.

Durak: Bedingung der Militärführung ist ja: keine Auflagen von außen. Weshalb lassen Sie sich darauf ein?

Erler: Das ist ein Prinzip der internationalen humanitären Hilfe, dass man sagt, da wo es um die unmittelbare Beantwortung der Not der Menschen geht, darf man das nicht mit politischen Vorbedingungen oder mit irgendeiner politischen Agenda verbinden. Das ist ein Prinzip, was die internationalen Hilfsorganisationen anerkennen und was wir auch anerkennen, weil nur so wirklich ein zeitnaher Zugang zu den Menschen zu erreichen ist, was natürlich nicht bedeutet, dass wir unseren Anspruch auch an die Militärregierung, hier NGOs, eine Zivilgesellschaft zuzulassen, die politische Ziele verfolgt, deswegen aufgeben. Wir verbinden ihn aber ausdrücklich nicht mit der humanitären Hilfe.

Durak: Herr Erler, gibt es unter den Geberländern und Organisationen so etwas wie einen Plan, eine Koordinierung, denn das ist ja auch immer ein Problem internationaler Krisenhilfe gewesen in der letzten Zeit? Viele kommen irgendwo irgendwie mit irgendwas und es gibt ein Durcheinander, keine Koordinierung und eigentlich ineffektives Helfen.

Erler: Hier gibt es zumindest gute Fortschritte, die auf dieser Konferenz auch deutlich geworden sind. Es ist ja so, dass es hier eine Organisation der asiatischen Länder dieser Region gibt, die ASEAN-Länder. Die waren ja auch Mitveranstalter dieser Konferenz und die haben eine konkrete Ankündigung bei der Konferenz gemacht, eine so genannte Tripartheit Korps Group zu bilden. Das heißt sie wollen auch zusammen mit den Vereinten Nationen hier eine Dachorganisation zur Koordinierung bilden. Zwar ist ASEAN nicht in der Lage, da große Strukturen zur Verfügung zu stellen, aber das zeigt doch, dass dort ein Bewusstsein für diese Notwendigkeit der Koordinierung vorhanden ist. Ich komme ja gerade wie ich gesagt habe aus einem Gespräch mit den deutschen Hilfsorganisationen, die hier vor Ort sind. Es gibt hier schon so etwas wie eine örtliche Koordinierung, die alltäglich stattfindet in den Townships, in den besonders betroffenen Orten, wo sich die Hilfsorganisationen vor Ort mit den örtlichen Vertretern treffen, um ihre dann konkreten Aktionen abzustimmen. Also es ist nicht so, dass das Bewusstsein dafür nicht da ist, dass man natürlich koordinieren muss, aber bei mehr als zwei Millionen Menschen, die in Not geraten sind, ist der Bedarf natürlich riesig und es ist leider nicht so, dass man mehr zum Verteilen hat als gebraucht wird.

Durak: Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler hier bei uns im Gespräch. Er ist inzwischen auf dem Rückweg von Rangun nach Berlin.