Parlamentsvorbehalt eines Bundeswehr-Einsatzes steht nicht zur Debatte

Interview im Deutschlandfunk, 5, Mai 2008

Frage: Unionsfraktionschef Kauder plant Medienberichten zufolge gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel, Innenminister Schäuble und Verteidigungsminister Jung eine Nationalen Sicherheitsrat, der unter anderem die Lösung ziviler oder militärischer Krisen im Ausland koordinieren soll... Was sagen Sie zu dem Entwurf?

Antwort: ... Das ist ein Entwurf, der noch nicht beschlossen ist... Die CDU/CSU-Gremien wollen sich diese Woche damit beschäftigen. Erst dann wird man die Einzelheiten kennen, die dann beschlossen sind und dann wird man es auch erst richtig bewerten können.

Frage: Das klingt so, als ob das Auswärtige Amt an der Planung an diesem Konzept nicht beteiligt, auch nicht informiert war.

Antwort: Das ist richtig, aber das ist auch das Recht der CDU/CSU als Fraktion und Partei, sich mit solchen Themen zu beschäftigen, ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen..

Man muss sehen, was da tatsächlich drinsteht... Wenn es sich hier um wesentliche Änderungen der bisherigen Vorgehensweise handelt, erwarte ich erst mal eine Mängel- und Fehleranalyse. Was ist verkehrt an der Zusammenarbeit von der Bundeskanzlerin mit Verteidigungsminister Jung und Außenminister Steinmeier (sowie) den anderen Ministerien, was auch bisher, wenn es Sicherheit angeht, im Bundessicherheitsrat gelöst wird? Wo hat es bisher nicht geklappt und was soll mit diesen neuen Ideen verbessert werden? Das wäre die erste Forderung an einen solchen Vorschlag.

Frage: ... Es soll ein so genannter Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden. Bislang gibt es schon einen Rat, den Bundessicherheitsrat... Dort wird vor allen Dingen über Rüstungsgüter, Ausführgenehmigung beraten. Sehen Sie denn hier Reformbedarf?

Antwort: Nein ..., derjenige, der Änderungsvorschläge macht, muss begründen, weshalb diese Änderungen notwendig sind... Wenn es tatsächlich um eine Kompetenzverlagerung und wichtige Festlegung in inhaltlichen Fragen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geht, ist der Koalitionsvertrag immer ein gutes Auskunftsmittel. Ich habe noch nicht gehört, dass da von einem Nationalen Sicherheitsrat die Rede ist. Da wir wissen, dass die Kanzlerin immer großen Wert darauf legt, dass das, was verabredet ist, auch umgesetzt wird, gehört das zu den Dingen, die nicht verabredet sind. Dann wird das immer stärker ein parteipolitsicher Vorstoß der CDU/CSU.

Frage: ... Ist das der Versuch von CDU-Chefin Merkel einen möglichen Kanzleramtskonkurrenten, Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD, zu entmachten?

Antwort: ... Wenn es das ist, werden wir auf den Koalitionsvertrag verweisen. Damit ist auch klar, dass für so ein Vorschlag erst mal eine Mehrheit gesucht werden müsste. Aber dann werden wir auch sehr genau die Inhalte ankucken... Die SPD hat keine Angst davor, dass sicherheitspolitische, außenpolitische Themen dann auch - das wäre dann der Zweck der Übung - zum Thema des Wahlkampfs werden. Wenn das wirklich stimmt, dass die CDU erneut einen Vorstoß machen will, um einen stärkeren Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu ermöglichen ..., sie den Parlamentsvorbehalt, diese Tradition in Deutschland, das Parlament über jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr entscheiden zu lassen, (umgehen will), wenn es wirklich so ist, dass jetzt eine positive Äußerung zur Aufrüstung, nämlich mit der Raketenabwehr, da drinsteht, dann können wir das gern zum Thema des Bundestagswahlkampfs machen. Davor wird die SPD keineswegs Angst haben.

Frage: Sie haben die wesentlichen Inhalte schon angesprochen: Einsatz der Bundeswehr im Inneren, klares Nein der SPD. Da ist auch nichts zu machen?

Antwort: Nein, wir haben noch nie verstanden, was das soll und welche Philosophie dahintersteht. Es gab bisher die strickte Trennung zwischen Aufgaben der Polizei und der der Bundeswehr, die durchaus Rechte hat, hier auch bei nationalen Katastrophenfällen eingesetzt zu werden. Diese Unterscheidung halten wir aufrecht. Sie hat sich in der Geschichte der Bundesrepublik bewährt.

Frage: Raketenschild der USA soll unterstützt werden. Sind Sie da auch kategorisch mit dem Nein?

Antwort: ... Wieso machen die europäischen Staaten, allen voran Frankreich, Großbritannien und Deutschland, seit 2003 einen Versuch, diese Herausforderung durch mögliche iranische Programme auf dem Verhandlungsweg zu lösen? Es ist ein regelrechter Defätismus dann plötzlich zu sagen, das klappt nicht mehr, wir brauchen jetzt eine militärische Lösung über die Aufrüstung. Das ist der eigentliche Gegensatz, der sich hier abspielt. Da weiß ich sehr genau, wie meine Freunde in der SPD sich entscheiden werden.

Frage: In dem von der Union geplanten Konzept soll möglicherweise der Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen verändert werden. „Die Bundeswehr müsse bei multinationalen Einsätzen auch dann kurzfristig einsatzfähig sein, wenn eine Entscheidung des Deutschen Bundestags nicht herbeigeführt werden kann." Ist da nicht was dran, für Notfälle muss es schneller gehen?

Antwort: Nein, das ist Unfug, weil wir auch belegen und beweisen können, dass der Bundestag innerhalb von außerordentlich kurzer Zeit in der Lage ist, eine solche Entscheidung über den möglichen Einsatz der Bundeswehr zu fällen... Das ist auch schon in sehr kurzer Frist abgewickelt worden. Ich kann mir keinen Fall vorstellen, wo man sich nicht mal selber die Zeit nimmt und dem Parlament gibt, über die Sinnhaftigkeit eines Bundeswehreinsatzes nachzudenken. Für uns steht der Parlamentsvorbehalt ... überhaupt nicht zur Debatte.

Frage: Nehmen wir einmal an, die angesprochenen Punkte werden von der CDU in ihrem Konzept so beschlossen. Ist dann die Koalition gefährdet?

Antwort: Nein ..., es ist durchaus möglich, dass Parteien hier eigenen Positionen einnehmen. Das Recht haben wir auch... (Aber) wie wird sich die Bundeskanzlerin, auch wegen der Nichtverankerung dieser Forderungen im Koalitionsvertrag, dazu verhalten? Bisher hat die Bundeskanzlerin immer großen Wert darauf gelegt, dass wir das Programm, das wir beschlossen haben, auch umsetzten und hat da Störfeuer von der Seite stets abgewehrt. Ich hoffe, dass das so bleibt... Wenn wir über die Frage Verhandlungslösungen oder militärische Lösungen über Aufrüstung, über Fragen des Parlamentsheeres in Deutschland, über die Frage der richtigen Definition von Polizeiaufgaben und Militäraufgaben einen Wahlkampf haben sollen, wenn das die CDU/CSU will, sind wir bereit dazu.

Frage: Das heißt, die SPD antwortet mit einem Gegenkonzept?

Antwort: Die SPD wird die Forderungen, wenn sie denn überhaupt so kommen und beschlossen werden, in der Öffentlichkeit entsprechend so diskutieren, dass jeder versteht, worum es da tatsächlich geht.