Erler: NATO hat harte Kriterien für Aufnahme

Interview im RBB Inforadio, 3. April 2008    

Das alte Europa, allen voran Deutschland und Frankreich, gegen die USA. Zumindest, was die Frage der Erweiterung des Bündnisses angeht, bietet sich beim aktuellen NATO-Gipfel in Bukarest dieses Bild.

US-Präsident Bush war vor dem Treffen extra nach Kiew gereist, um der Ukraine zu versichern: Ich bin FÜR Eure Aufnahme in die NATO. Und nun wird daraus auf absehbare Zeit jedenfalls nichts, weil, vor allem Berlin und Paris nicht mitziehen.

Gernot Erler, SPD, Staatsminister im Auswärtigen Amt, befragt von Dietmar Ringel.

Das Interview im Wortlaut:

Ringel: Warum stellt sich Deutschland in dieser Frage soi hartnäckig quer?

Erler: Einmal glauben wir, dass beide Länder noch nicht reif sind für eine verbindliche Zusage des NATO-Beitritts. Bei der Ukraine ist vor allen Dingen auffällig, dass es hier in der Bevölkerung eine starke Mehrheit gibt, die gegen diesen Beitritt sind. Die letzte Umfrage zeigte, dass es etwa 70 Prozent sind, und auch in der politischen Führerschaft hier des Landes, in der politischen Klasse gibt es da große Unterschiede, und es hat auch schon rabiate Demontrationen gegen den Beitritt gegeben, und ich meine, die Entscheidung, die da in Bukarest fällt, die sollte ja nicht die Sicherheit eines Landes verringern, sondern eher verstärken. Und bei Georgien ist es so, dass wir noch nicht vergessen haben, dass es im letzten November dort gewaltsame Ausschreitungen gegeben hat, die dann unterdrückt worden sind bis Ausrufung eines Ausnahmezustandes. Auch die jetzigen Wahlen, die gemacht worden sind, des Präsidenten, sind bisher nicht anerkannt worden von der Opposition, also auch hier haben wir einen nicht sehr stabilen Zustand, und das ist ein Grund zu sagen, es hat noch ein bisschen Zeit, zu warten.

Ringel: Nun gibt es ja auch Stimmen, die sagen, Konflikte lassen sich doch besser im Bündnis lösen, als wenn man die Konflikte draußen lässt.

Erler: Na, das ist aber nicht das Prinzip des Bündnisses. Das Bündnis hat bisher immer ziemlich harte Kriterien formuliert für den Beitritt, auch was die innere Stabilität eines Landes angeht, was die Lösung von Konflikten angeht, und das ist auch zum Beispiel bei Georgien ein Problem, weil es dort Konflikte gibt, in Abchasien und Südossetien, die durchaus gefährlich sind, und das Bündnis hat bisher nicht eine Politik betrieben, dort, wo es Probleme gibt, machen wir die Länder zu Mitgliedern des Bündnisses, un dlösen die dann.

Ringel: Also, das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Deutschland vielleicht Moskau ein bisschen entgegenkommen will, denn aus Moskau ist ja zu hören, bis an unsere Grenzen heran wollen wir die NATO nicht haben, und das wäe ja im Falle der Ukraine und Georgiens der Fall. Und andere, wenn ich das mal dazu sagen darf, wie auch der Bundesaußenminister Steinmeier, haben ja durchaus gesagt, es gebe keinen Grund, das Verhältnis zu Moskau jetzt noch durch weitere Dinge zu belasten.

Erler: Ja, ich meine, diese beiden Dinge muss man zusammen sehen, das erste, was ich gesagt habe, ist sicherlich ein sehr wichtiger Punkt, das zweite, was Sie jetzt gesagt haben, kommt jetzt dazu. Also es ist ja tatsächlich so, dass nochmals es eigentlich nur einen Sinn macht, eine solche Entscheidung zu treffen, wenn wir hinterher mehr Sicherheit als vorher haben. Das ist eigentlich bei einem Sicherheitsbündnis selbstverständlich. Und hier ist in der Tat die Frage, ob das eintreten würde in Bezug auf Moskau. Es hat genug Spannung mit Moskau, zum Beispiel eben über die Raketenabwehr, jetzt auch eine schwierige Lage nach der Kosovo-Entscheidung, und wir haben dort eine schwierige Lage durch den Wechsel jetzt in der Macht, Wechsel in der Präsidentschaft, so dass die Frage ist, was würde es denn bedeuten, wenn man jetzt hier was in Moskau als Provokation verstanden werden würde, diese Entscheidung jetzt tut ohne Not.

Ringel: Herr Erler, könnte es nicht auch sein, das Moskau sagt: na, ist doch ganz schön, jetzt kuscht die NATO, da können wir so weiter machen?

Erler: Nein, das wird erstens mit Sicherheit nicht passieren. Ich sagte ja schon, wir haben Konflikte, und es ist auch von Amerika so, dass dort großes Interesse ist, mit Moskau zu einer Verständigung zu kommen. Und es gibt auch andere Dinge, es gibt das Nahost-Problem, es gibt viele Probleme auf der Welt: Afghanistan, wo im Grunde genommen ein Minimum an Zusammenarbeit mit der russischen Föderation für uns von Vorteil ist, und das sozusagen leichtfertig durch so einen Beschluss, der nicht zwingend ist, von der innerne Entwicklung der Länder nicht zwingend ist, das ist keine sehr kluge Politik.

Ringel: Sehen Sie trotzdem die Möglichkeit, dass vielleicht in ein, zwei , drei, vier jahren die Ukraine und Georgien doch noch ins Bündnis kommen können?

Erler: Auf jeden Fall kann ich das nicht ausschließen, weil es ja so ist, dass niemand etwa die Offenheit der NATO auch für neue Mitglieder in Frage stellt. Niemand wird sagen, dass die Länder sich nicht Mühe gegeben haben in den letzten Jahren, die Voraussetzungen zu schaffen, und dieser Prozess wird offen bleiben, und ich rechne sogar damit, dass in Bukarest ein ziemlich freundliches Signal an beide Länder in diesem Zusammenhang ergehen wird.