Russland hat gewählt

Interview im WDR 5 MORGENECHO mit Gernot Erler (SPD), 3. März 2008  

Moderator (Wolfgang Zimmer): Russland hat einen neuen Präsidenten gewählt vom russischen Volk mit Wahlmethoden, die mit denen westlicher Demokratien, auch mit sehr viel Wohlwollen nicht zu vergleichen sind. Die meisten internationalen Organisationen haben erst gar keine Wahlbeobachter geschickt, weil sie sich mit der russischen Regierung nicht auf Arbeitsbedingungen einigen konnten. Gernot Erler (SPD) ist Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Wie hat sich denn die Wahl gestern unterschieden von Wahlen zu Zeiten der Sowjetunion? Hat sie das überhaupt?

Erler: Das hat sie durchaus. Denn es gibt verschiedene Kandidaten, es waren insgesamt vier. Das hat es natürlich früher nicht gegeben. Aber das gibt auch eine Parallele. Man nennt das den Einsatz der so genannten administrativen Ressourcen. Dmitri Medwedew ist die letzten Wochen dauernd im Fernsehen gewesen. Er hat sich auch geweigert, mit den anderen Kandidaten öffentlich zu diskutieren. Die anderen hatten Probleme, so häufig in den Medien vorzukommen. Und es ist eben auch vor Ort gesellschaftlicher Druck ausgeübt worden. Das sind vertraute Methoden, diese administrativen Ressourcen zur Unterstützung des vorgesehenen Kandidaten einzusetzen.

Moderator: Na ja, die Einen kamen nicht ins Fernsehen, die Anderen kam erst gar nicht zur Wahl. Es waren ja nicht nur vier Kandidaten, es waren ursprünglich sieben. Und die sind teilweise gar nicht zugelassen worden.

Erler: Ja, die haben eben diese sehr hohe Hürde dann nicht überspringen können. Man musste ja, wenn man nicht von einer Duma-Partei, also die schon im Parlament drinne sitzt, aufgestellt wurde, zwei Millionen Unterstützerstimmen vorweisen. An der Hürde sind eine ganze Reihe von Kandidaten gescheitert.

Moderator: Dass das nicht viel mit Demokratie zu tun hatte, was da gestern in Russland geschehen ist, darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Soll die Bundesregierung jetzt geflissentlich darüber hinwegsehen?

Erler: Also ich bin dafür, dass man trotz allem auch anschaut im Vorfeld, was zum Teil spekuliert oder vermutet worden ist, was ja auch nicht eingetreten ist. Man muss auch feststellen, dass Wladimir Putin seine Ankündigung wahrgemacht hat, dass er nicht eine dritte Wahlperiode anstrebt, was von der Verfassung her nicht möglich ist, dass er die Verfassung, was er hätte machen können, nicht verändert hat mit seiner Partei, die eine Zweidrittelmehrheit hat, dass er auch nicht bisher keine Anzeichen gemacht hat, dass er jetzt Kompetenzen verlagern will auf den Premierminister. Er ist ja sozusagen designierter Premierminister. Er hat angekündigt, dass er diesen Posten anstreben wird. Das heißt, er hat insofern seine Ankündigung, dass es zu einem Wechsel kommen wird, wahrgemacht, auch wenn er eben erheblichen Einfluss, und zwar den entscheidenden, ausgeübt hat, wer denn ihm nachfolgt. Er hat sich eben für Medwedew ausgesprochen. Und in dem Wahlergebnis, das muss man, glaube ich, auch sehen, drückt sich etwas, was ja auch viele Beobachter vorher schon gesehen haben, aus, es gibt diesen Wunsch nach Kontinuität. Es gibt den Wunsch bei der Mehrheit der russischen Bevölkerung, dass der Kurs von Putin fortgesetzt wird.

Moderator: Aber wird denn nicht statt Kontinuität eher Instabilität eintreten? Es gibt jetzt zwei Machtzentren - Putin zum einen, der die Fäden nach wie vor in der Hand hat, auch wenn er Ministerpräsident werden wird, und sein, na ja, sagen wir mal Mündel Medwedew. Für wie viel Instabilität sorgt denn diese Wahl? Das sind doch zwei Machtzentren jetzt plötzlich.

Erler: Na ja, ich wäre vorsichtig. Also ich meine, noch mal objektiv gesehen, ist es so, dass die vielen kritischen Spekulationen bisher, wie Putin es deichseln würde, nicht eingetreten. Und ich kann auch nicht ausschließen, dass auch diesmal wieder solche kritischen Spekulationen nicht zutreffen. Bisher sieht alles danach aus, dass Putin diese Kompetenzen, die bisher schon da sind bei dem Posten des Premierministers nutzen will. Es hat auch jetzt nach der Wahl Medwedew betont, er werde keine Kompetenzen abgeben. Das heißt, es wird dann nachher davon abhängen, ob die beiden Männer, die jetzt an der Spitze Russlands stehen, miteinander tatsächlich vernünftig kooperieren. Dafür bestehen immerhin keine schlechten Voraussetzungen. Denn sie kennen sich schon sehr lange, sie kennen sich von ihrer Jugend, von ihren ersten Aufgaben her schon aus dem Petersburger Rathaus, wo sie zusammengearbeitet haben. Der eine ist zwar sehr viel jünger, Medwedew ist 13 Jahre jünger als Putin, aber hat insofern auch sehr viel Respekt, weil praktisch Putin ihm den Weg an die Spitze geebnet hat.

Moderator: Wer ist denn Ihr Ansprechpartner künftig - Putin oder Medwedew?

Erler: Ja, ich meine, das kennen wir natürlich von der Politik, dass der russische Präsident eine enorme Machtfülle hat. Er hat auch den stärksten Apparat in Russland mit der Präsidialverwaltung. Und auf der anderen Seite: In der Tagespolitik, in der exekutiven Politik, muss man damit rechnen, dass Putin diese Position intensiver ausfüllt als die bisherigen Premierminister, die doch sehr im Schatten des starken Präsidenten gestanden haben.

Moderator: Vielen Dank. - Das war Gernot Erler, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, mit seiner Sicht der Wahl in Russland.