Erler zum Umgang der SPD mit der Linken

Interview in der Badischen Zeitung, Freiburg, 27. Februar 2008.

Wie hält es die SPD mit der Linken? Über die derzeit landauf, landab viel diskutierte Frage hat sich Joachim Röderer mit dem Staatsminister im Auswärtigen Amt und Freiburger SPD-Bundestagsabgeordneten Gernot Erler unterhalten.


BZ: Herr Erler, soll Frau Ypsilanti in Hessen im Landtag zur Wahl als Ministerpräsidentin antreten und sich mit den Stimmen der Linken wählen lassen?


Gernot Erler: Die Tür bleibt immer noch offen für eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen. Aber wenn die FDP nicht einlenkt, können wir nicht sagen, eine Tolerierung durch die Linken ist für uns ausgeschlossen. Einer muss sich bewegen, sonst bleibt es bei dieser Blockadesituation und das würde dann auch zu mehr Politikverdrossenheit führen. Es ist eine schwierige Entscheidung, aber es wäre sicher genauso problematisch, die eigenen Wähler zu enttäuschen, wenn Frau Ypsilanti bei so einem Wahlergebnis nicht antritt und Roland Koch dann weiter Ministerpräsident bliebe.


BZ: Gelten die alten Lager nicht mehr?


Erler: Nein. Bisher hat man immer versucht, vor Wahlen über solche Ausschlusserklärungen Druck aufzubauen. Aber das funktioniert offensichtlich nicht. Die Wähler entscheiden anders. Sie haben sich so entschieden, dass eine Regierungsbildung nach Lagern unmöglich ist. Das zwingt einen, dieses Lagerdenken zu überprüfen. Das gilt aber offensichtlich für alle Parteien. Wir sehen ja: Die CDU muss sich in Hamburg unter Umständen auf Schwarz-Grün einlassen, die SPD muss in Hessen eine Minderheitenregierung ins Auge fassen. Und die FDP muss sich fragen, ob sich auf Dauer ausschließt von der Verantwortung.


BZ: Glauben Sie, dass das Fünf-Parteien-System eine vorübergehende Erscheinung ist oder sich schon zementiert hat?


Erler: Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Deswegen glaube ich, dass diese Veränderung des Parteiensystems nicht mehr so leicht aufhaltbar ist, auch wenn es sicher Ausnahmen geben kann. Aber der Trend ist eindeutig.


BZ: Käme eine Koalition mit der Linken für Sie in Frage?


Erler: Da hat der Parteivorstand einen klaren Beschluss gefasst, dass eine Koalition im Moment nicht in Frage kommt, aber dass die Entscheidungen in den Ländern vor Ort getroffen werden sollen. Was das Ausschließen einer Zusammenarbeit auf Bundesebene anbelangt, da findet dieser Beschluss einen sehr breiten Konsens in der SPD, allein schon wegen der internationalen Themen.


BZ: Das Wort vom Wortbruch der SPD-Spitze macht die Runde. Wie sehen Sie das?


Erler: Das Beispiel Hessen zeigt, dass eine größere Frustration entstehen würde, wenn alle bei ihren Blockade-Aussagen bleiben. Insofern haben wir nur einen Ausweg, wenn sich irgendeiner bewegt. Die SPD hat, finde ich, mit dieser Möglichkeit einer rot-grünen Minderheitsregierung noch am ehesten einen akzeptablen Ausweg zu bieten. Natürlich wäre mir viel lieber, wenn die FDP ihre Entscheidung revidieren würde. Aber anscheinend tut sie das nicht.