Staatsminister Erler zum Afghanistaneinsatz

Interview im WDR 5 Morgenecho, 8. Februar 2008  

Moderator (Wolfgang Zimmer): Die Amerikaner hatten sich ihren Einsatz in Afghanistan etwas einfacher vorgestellt: grob vereinfacht nach dem Motto: Wir liquidieren die Taliban, und dann sind wir hier fertig. Das ist bekanntermaßen schiefgegangen. Die Taliban gibt es immer noch. Versuche der amerikanischen Alliierten, mit den Taliban zu reden, wurden von den USA attackiert, ebenso wie die Taliban selbst. Jetzt wird die Lage immer schwieriger und der Ruf Richtung Deutschland immer lauter. Wir sollen Soldaten schicken für die Operation Enduring Freedom. Erwähnenswert vielleicht noch, dass es für diesen Kampfeinsatz kein UNO-Mandat gibt. - Gernot Erler von der SPD ist Staatsminister im Auswärtigen Amt. Guten Morgen!

Erler: Guten Morgen, Herr Zimmer!

Moderator: Was tun? Sich dem Druck beugen oder doch besser ganz aussteigen?

Erler: Also erstmal darauf hinweisen, was wir tun. Immerhin 3500 Soldaten potentiell, 3200 im Augenblick tatsächlich im Einsatz. Gerade eben übernommen die zusätzliche Aufgabe einer schnellen Eingreiftruppe in der Nordregion. Der „Tornado"-Einsatz für die ganz Mission vor Ort. Und das Ganze, was noch im zivilen Bereich passiert. Also Deutschland ist der drittgrößte Truppensteller in Afghanistan nach den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Und wir haben eine anerkannte Leistung bisher schon vollbracht. Es ist nicht fair, jetzt zu sagen: Deutschland, du musst da zusätzlich was tun.

Moderator: Die Nato-Verteidigungsminister außer dem deutschen vielleicht sehen das aber ein bisschen anders. Die sagen: Die Deutschen ruhen sich im Norden aus, spielen Kicker, und unsere Soldaten kämpfen und halten den Kopf hin.

Erler: Auch das ist nicht in Ordnung, so zu argumentieren.

Moderator: Sie tun es aber.

Erler: Wir waren die Ersten, die überhaupt eine volle Verantwortung auch für die anderen dort eingesetzten Truppen in einer kompletten Region übernommen haben. Und ein Spaziergang ist das nicht, was man daran sieht, dass wir auch schon mehr als 20 Opfer zu beklagen haben.

Moderator: Die Bundeswehr hat ja gute Arbeit geleistet. Das wird von allen Seiten bestätigt. Gute Arbeit beim Wiederaufbau ohne Kampfeinsätze. Jetzt schicken wir eine schnelle Eingreiftruppe, Sie haben das schon erwähnt. Wir haben Tornados da hingeschickt. Ist das nicht schon die Vorbereitung dessen, was die USA in erster Linie fordert, was auch die anderen Verteidigungsminister der Nato fordern, nämlich Kampftruppen, deutschen Kampftruppen nach Afghanistan?

Erler: Nein, das gehört alles zu einem Konzept, hinter dem wir hundertprozentig stehen. Auch hierbei geht es darum, den Aufbau der Infrastruktur - alles das, wovon die Bevölkerung tatsächlich auch etwas sieht, wo der Fortschritt auch sichtbar wird - abzusichern. Auch diese QRF, diese schnelle Eingreiftruppe, hat nur den Sinn, das, was vor Ort in Nordregion gemacht wird, auch wirklich abzusichern, weil wir eben zunehmend von einsickernden so genannten oppositionellen Kräften, bewaffneten, also Terroristen, bedroht sind. Deswegen diese zusätzliche Eingreiftruppe. Aber das ist kein Ausstieg aus dem Konzept, was wir dort verfolgen.

Moderator: Wenn Sie auf die deutsche Bevölkerung hörten, die sich ja mehrheitlich dagegen ausspricht, dann müssten Sie den Einsatz abbrechen.

Erler: Ja, damit weisen Sie auf eine andere Besonderheit hin, die in unserem Land herrscht und die auch so bleiben wird, nämlich dass wir die Zustimmung der Parlamentarier brauchen, dass wir zu jedem Schritt, den wir machen, auch eine parlamentarische Zustimmung benötigen. Das wissen auch unsere Verbündeten. Und deswegen ist es nicht willkürlich, was wir da machen können. Wir können nicht plötzlich von einer Ecke des Einsatzes Soldaten in die andere schicken oder plötzlich sehr viel mehr. Dazu müssen wir erstmal Mehrheiten bilden.

Moderator: Na ja, zunächst wurde ja mal nur die Truppe nach Afghanistan geschickt, die dort für den Wiederaufbau gesorgt hat. Dann gab es Tornados. Da gab es schon Ärger im Bundestag. Dann jetzt die schnelle Eingreiftruppe. Das sind ja alles so Schritte in der Salami-Taktik, die ja darauf hinausläuft, dass dann irgendwann doch gekämpft wird.

Erler: Also bisher besteht der Konsens - und der ist sehr breit im Deutschen Bundestag -, es besteht auch Konsens - wir haben da sehr intensiv drüber geredet -, dass das, was jetzt mit dieser Absicherungs-Eingreiftruppe für die Mission im Norden noch zusätzlich gemacht wird, im Rahmen des beschlossenen Mandates liegt. Die Zahl der Obergrenze wird ja auch hier nicht verändert. Und es ist auch nicht ein völlig anderer Einsatz, sondern nur sozusagen eine zusätzliche Sicherung für dieses Gesamtkonzept ziviler und militärischer Stabilisierungsmaßnahmen. Und das ist gut, dass wir diesen Konsens haben. Das brauchen wir auch. Das brauchen wir auch für diesen gefährlichen Einsatz. Und dieser Konsens ist im Augenblick auch nicht gefährdet. Das könnte sofort anders aussehen, wo wir jetzt diesen Wünschen unserer Verbündeten nachkämen und sagen würden: Wir wollen jetzt in einer völlig anderen Region auf Dauer auch Einsatz machen. Wir haben ja nie ausgeschlossen, in besonderen Situationen auch Anderen zu Hilfe zu kommen. Das halten wir für selbstverständlich.

Moderator: Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, zur Rolle Deutschlands in Afghanistan. Ich danke Ihnen!