Erler: Die Bevölkerung Serbiens wird die Vorteile spüren

Staatsminister Gernot Erler zur Wahl in Serbien. Interview in der Badischen Zeitung, 5. Februar 2008 

FREIBURG. Die Europäische Union (EU) zeigt sich erleichtert über den Sieg des gemäßigten Boris Tadic in Serbien. Annemarie Rösch sprach mit Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, Osteuropa-Experte und Bundestagsabgeordneter aus Freiburg.

BZ: Wie wird sich das Verhältnis zwischen Serbien und der EU entwickeln?

Erler: Dank der Wahl Tadics wird es möglich sein, vielleicht schon an diesem Donnerstag ein Vertragspaket zwischen Serbien und der EU abzuschließen. Dieses Vertragspaket sieht vor, dass die Serben Erleichterungen erhalten etwa bei Visen für die Staaten der EU. Zudem sind auch Erleichterungen für den Handel zwischen der EU und Serbien vorgesehen. Das sind entscheidende Schritte, um Serbien besser in Europa zu integrieren. Die Bevölkerung wird die Vorteile einer Anbindung an die EU zu spüren bekommen.

BZ: Verspricht man sich davon, dass Tadic von seiner bisherigen Position abrückt und sich mit einem unabhängigen Kosovo einverstanden erklärt?

Erler: Die EU stellt für diese Erleichterungen keine Bedingungen. Tadic wird bei seiner Gegnerschaft zu einem unabhängigen Kosovo bleiben. Anders als der nationalistische Wahlverlierer Tomislav Nikolic wird er aber dennoch an seinem Plan festhalten, dass Serbien irgendwann Teil der EU wird. Wir gehen auch davon aus, dass es mit Tadic leichter wird, eine sogenannte Rechtsstaatsmission in das Kosovo zu entsenden. Etwa 2000 Polizisten, Rechts- und Verwaltungsfachleute sollen nach der für Februar erwarteten Unabhängigkeitserklärung im Kosovo dafür sorgen, dass die Rechte der Minderheiten, also auch der serbischen, respektiert werden. Etwa 270 Deutsche sind mit dabei. Nikolic war strikt gegen diese Mission. Tadic hat sich in dieser Frage bisher sehr zurückgehalten.

BZ: Trotz internationaler Präsenz gibt es im benachbarten Bosnien Menschenrechtsverletzungen. Wie kann diese Mission garantieren, dass Minderheitenrechte respektiert werden?

Erler: Die Kosovo-Mission wird die historisch umfangreichste Mission werden. Sie wird deutlich größer sein als die Mission in Bosnien oder auch die in Afghanistan. Hinzu kommt, dass noch 16 000 Soldaten der Kosovo-Schutztruppe Kfor vor Ort sind. Wir gehen davon aus, dass die Minderheiten unter diesen Bedingungen ausreichend geschützt sind.

BZ: Tadic hat knapp gewonnen. Könnten nach der Unabhängigkeitserklärung Unruhen in Serbien ausbrechen?

Erler: Nach dem Wahlsieg Tadics hat sich Nikolic konstruktiv verhalten. Er hat ihm gleich nach Bekanntgabe der Ergebnisse gratuliert. Er wird also vermutlich akzeptieren, was unter Tadic beschlossen wird. Die für Serbien ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung zeigt zudem, dass die Bevölkerung die Wahl als Richtungsentscheidung begriffen hat. Viele sind wählen gegangen, weil sie den Kurs des gemäßigteren Tadic unterstützen wollten. Ich gehe nicht davon aus, dass es nach einer Unabhängigkeitserklärung zu größeren Problemen in Serbien kommt.