Wir sollten ihn ernst nehmen

Interview mit der Financial Times Deutschland, 7. Mai 2008

 

Der SPD-Abgeordnete Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, ist einer der besten Russlandkenner der deutschen Politik

FTD: Die Tonlage der russischen Führung ist zuletzt deutlich milder geworden. Worauf führen Sie dies zurück?

Gernot Erler: Es ist seit Monaten erkennbar, dass die russische Führung Wert darauflegt, dass der Übergang zum neuen Präsidenten in einer stabilen und ruhigen Atmosphäre stattfindet - national wie international. Das hat auch damit zu tun, dass der Amtswechsel in dieser Form etwas Neues für Russland ist und man daher in der Vorbereitung auf Nummer sicher gehen wollte.

FTD: Halten Sie denn einen substanziellen Wandel in der russischen Außenpolitik für denkbar?

Erler: Natürlich hoffen wir, dass die Bereitschaft wächst, konstruktive Lösungen zu finden - ob das in der Raketenabwehr ist, ob es um die Rettung des KSE-Vertrages geht oder die Folgen der Kosovo-Entscheidung. Das sind Dinge, bei denen man sich einen Neuanfang wünschen könnte. Schon bei der derzeitigen Auseinandersetzung mit Georgien sieht man widersprüchliche Tendenzen. Einerseits hat Putin wahrgemacht, was er angekündigt hatte - nämlich, dass die Unabhängigkeit des Kosovo politische Folgen haben wird. Andererseits wird das begleitet von einem Bemühen, die bilateralen Beziehungen mit Georgien wieder zu normalisieren, indem Handelssanktionen aufgehoben werden.

FTD: Kann Dmitri Medwedew Russland modernisieren?

Erler: Man sollte seine Reformankündigungen erst einmal ernst nehmen und dann sehen, inwiefern sie zur Grundlage für reale Politik werden. Das gilt vor allem für seine Bemerkungen zur Rolle der EU als Modernisierungspartner und dem Wandel zu einem Rechtsstaat. Ab jetzt hat er die Möglichkeit, das umzusetzen. Es ist interessant, ob den Worten Taten folgen. Wir hätten großes Interesse daran.

 

INTERVIEW: NILS KREIMEIER

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