SWR 2-Tagesgespräch, 18.März 2003

Bush wollte von vornherein die Beseitigung des Saddam-Regimes

SWR2: Seit heute morgen 2.00 Uhr scheint festzustehen, es gibt Krieg im Irak. US-Präsident Bush will den Irak angreifen, selbst wenn Saddam Hussein sein Land verlässt. Oder sehen Sie noch irgendeinen Ausweg?

Erler: Ich denke, wir sind Realisten und wissen, was diese Ankündigung bedeutet, aber das ändert nichts daran, dass man versuchen muss, die diplomatischen Bemühungen fortzusetzen. Es geht auch darum, die heftige Kritik, die Präsident Bush am UN-Sicherheitsrat geübt hat, zu beantworten. Dadurch, dass man noch einmal zeigt, es gibt immer noch eine Alternative zu dem Krieg und die Bedeutung einer Entwaffnung des Irak ohne militärische Mittel, sondern über die Inspektoren... Das ist einfach wichtig, das noch einmal zu zeigen auch für die Zeit nach diesem Krieg.

SWR2: Wenn die Außenminister Frankreichs, Russlands und Deutschlands morgen zusammenkommen in New York, ist das nicht mehr oder weniger eine Demonstration gegen die Amerikaner?

Erler: Nein, das ist eine Demonstration für die Vereinten Nationen, die zu Unrecht beschuldigt werden, hier versagt zu haben. Der amerikanische Präsident versucht den Eindruck zu erwecken, es gebe Entschlossenheit und die ist bei Amerika; und es gebe Unentschlossenheit, und dafür sind Frankreich und andere Länder und der Sicherheitsrat verantwortlich. Das stimmt aber nicht.
Richtig ist, dass es hier eine Entschlossenheit gab, alle Wege zu suchen, um ohne Krieg das gemeinsame Ziel der Entwaffnung von Saddam Hussein erreichen, und das ist auf einem guten Weg. Das zeigt auch der neue Bericht von Hans Blix und die Möglichkeit eines konkreten Arbeitsplanes, der innerhalb von Wochen zu einem Erfolg führen könnte, und es ist einfach notwendig auf diese Alternative zum Krieg, die es gibt, hinzuweisen.

SWR2: Amerika und Großbritannien haben ihren Resolutionsentwurf zurückgezogen. Wird es denn möglicherweise ein Resolutionsentwurf der Kriegsgegner geben? Wäre das sinnvoll?

Erler: Ich glaube nicht, dass dies einen Sinn macht, weil es dann natürlich das Vetorecht von Amerika und England gibt, dass das zu Fall bringen würde. Die Alternativen sind klar: die drei Länder Deutschland, Frankreich, Russland haben schon in ihrem Memorandum aufgezeigt, dass der Weg über einen konkreten Arbeitsplan mit konkreten Daten und konkreten Abrüstungszielen führt, während wir immer wieder mit der Behauptung von Amerika konfrontiert wurden, dass Saddam Hussein seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, obwohl die UN-Inspektoren inzwischen von einer sehr aktiven Kooperation des Irak berichtet haben.

SWR2: Wenn es jetzt so kommt, wie es scheinbar kommen muss, welche Konsequenzen befürchten Sie zunächst einmal für die Vereinten Nationen?

Erler: Die Vereinten Nationen sind potentiell beschädigt durch dieses Vorgehen von Amerika, das den Anspruch erhebt, einen handlungsunfähigen UN-Sicherheitsrat nun zu ersetzen. Damit erhebt der amerikanische Präsident Bush auch den Anspruch, dass er das Recht habe, quasi die Funktionen der Weltorganisation zu übernehmen und zu handeln, weil angeblich die Vereinten Nationen nicht gehandelt haben. In dieser Situation verdienen die Vereinten Nationen die Unterstützung aller Länder, die nicht glauben oder nicht wollen, dass die Vereinten Nationen in Zukunft praktisch von Amerika ersetzt werden.

SWR2: Heute morgen debattiert der Bundestag die aktuelle Situation, die Haltung der Bundesregierung ist klar. Erwarten Sie auch von der Opposition ein Einschwenken auf den Regierungskurs, quasi als patriotische Tat?

Erler: Die Äußerungen in den letzten Tagen lassen das leider nicht erwarten. Man muss eher damit rechnen, dass die Opposition, die sich mit ihrer Position eher in die Isolation bewegt hat - auch was die deutsche Öffentlichkeit angeht - versuchen wird, der Bundesregierung eine Mitschuld an diesem Krieg zu geben. Das ist natürlich der Versuch, aus der Defensive heraus wieder in die Offensive zu kommen, aber von der Sache her alles andere als überzeugend.

SWR2: Aber Sie können doch die Opposition sozusagen zwingen sich zu bekennen, entweder zu deutsch-französischen Beziehungen oder deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Erler: Das ist nicht die Alternative. Ich denke, dass der Kurs Deutschlands, der durchaus riskant war am Anfang, mit dazu beigetragen hat, dass es diese eindrucksvolle Mehrheit von Ländern, von Regierungen, vor allen Dingen aber auch von Meinungen in der Öffentlichkeit weltweit gibt, die auf diese Entwaffnung ohne Krieg gesetzt haben. Das ist ein wichtiger und entscheidender Erfolg auch in der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern. Das wird schwierig für die Opposition in dieser Situation zu zeigen, wo sie eigentlich steht.

SWR2: Aber hat die Opposition denn nicht in dem Punkt recht, wenn sie sagt, man hätte sehr viel mehr Einfluss auf die amerikanische Position haben können, wenn man nicht von vornherein auf stur gestellt hätte. Ist da nicht ein Körnchen Wahrheit dran?

Erler: Nein, und zwar kann man das belegen an der Rede von George W. Bush von heute Nacht. Es hat sich herausgestellt, dass in Wirklichkeit die amerikanische Position nie von der Position des "regime change", das heißt des Regierungswechsels abgegangen ist, dass es nicht um konkrete Fortschritte bei der Entwaffnung ging. Denn das Ultimatum bezieht sich auch nicht auf eine weitere Entwaffnung, sondern es bezieht sich auf den Regimewechsel. Saddam und seine Söhne sollen das Land verlassen, das war von Anfang an das Ziel der Amerikaner, und es gab keine Möglichkeit, leider keine realistische, George W. Bush von diesem Ziel, das nicht im Einklang mit dem Völkerrecht steht, abzubringen.

SWR2: Das heißt, Bush wollte von vornherein Krieg?

Erler: Er wollte von vornherein eine Beseitigung des Regimes Saddam Hussein, notfalls mit Krieg. Der ganze "Umweg", sage ich jetzt einmal in Anführungszeichen, über die Vereinten Nationen war aus der heutigen Sicht und aus der Sicht dieser Rede eher ein Versuch dafür eine internationale Legitimation zu bekommen.

 

Das Gespräch führte Claus Heinrich