Israels Wir-gegen-Alle-Politik führt nicht zum Frieden. Presseerklärung vom 22. Juli 2004

Israels Wir-gegen-Alle-Politik führt nicht zum Frieden

Zur Reaktion der israelischen Regierung auf die Resolution der UN-Vollversammlung gegen den Sperrzaun erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:

Die Regierung Scharon poltert gegen die Einigkeit von 150 UN-Mitgliedsländern ("Tyrannei der Mehrheit"), kritisiert ihren Beschluss als "einseitig und völlig kontraproduktiv" und straft die EU, kurz vor Solanas Besuch in Jerusalem, als einseitigen Parteigänger der Palästinenser ab, der deshalb keine Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt mehr spielen dürfte.

Scharon spielt das Spiel "Wir gegen Alle", um davon abzulenken, in welch gefährlicher Weise er Israel weltweit isoliert. Es gibt ihm nicht etwa zu denken, dass in der UN-Vollversammlung neben Israel nur noch fünf Staaten das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 9. Juli über die Völkerrrechtswidrigkeit des Sperrzauns für ungerechtfertigt halten: neben den USA und Australien gerade noch die Marshall-Inseln, Mikronesien und Palau.

Der provokatorische Fußtritt gegen die EU wird die Distanz zur Scharon-Regierung noch vergrößern. Was für einen Sinn macht es, den EU-Ländern die Ignorierung des israelischen Selbstbestimmungsrechts vorzuwerfen, wenn es doch gerade nachweisbar die EU war, die eine Bestätigung dieses Rechts und eine Verurteilung des palästinensischen Terrors in die Resolution der Vollversammlung reingezwungen hat?

"Wir gegen Alle", alle verlassen uns (vielleicht mit Ausnahme von George W. Bush), und deshalb töten wir jeden, der uns schadet, auch ohne Gerichtsverfahren, und deswegen ziehen wir einen Zaun um uns, (700 km lang und höher und stärker als die Berliner Mauer), auch wenn sie, zumindest auf palästinensischem Boden, gegen das Völkerrecht verstößt, und deswegen spucken wir auf alle, die uns im Namen des Rechts kritisieren - das alles findet zuhause, in der düsteren Umklammerung von Terror, Angst, Trotz und Wagenburgdenken, sicher noch eine Zeitlang Applaus. Aber draußen macht es den ehrlichen Partnern Israels das Leben schwer.

Israels Zukunft führt über einen breiten Fahrweg, an dem die Hinweisschilder "Road Map", lebensfähiger Palästinenser-Staat, Zukunftssicherung der Eigenexistenz über den Ausgleich mit den arabischen Staaten und völkerrechtliche Absicherung einer Friedensordnung für die ganze Region heißen.

Der Weg in die andere Richtung, über Sperrzaun, Selbstjustiz, Selbstgerechtigkeit, Selbstisolierung und Missachtung der Weltgemeinschaft samt ihrer Organisationen, wird rasch enger werden. Noch gibt es Wendemöglichkeiten auf diesem Irrweg. An seinem Ende nicht mehr.