Erler: Bundesregierung will nach Beslan Nordkaukasus stabilisieren. dpa-Gespräch, 19. November 2004

Erler: Bundesregierung will nach Beslan Nordkaukasus stabilisieren

Moskau (dpa) - Nach dem Geiseldrama von Beslan mit mehr als 330 Toten erarbeitet die Bundesregierung mit Russland Maßnahmen zu einer Stabilisierung des Nordkaukasus. Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin suche wegen des Scheiterns ihrer bisherigen
Tschetschenien-Politik nach neuen Ansätzen, sagte Gernot Erler (SPD), der Koordinator der Bundesregierung für den zivilgesellschaftlichen Dialog mit Russland, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Moskau.

„Erstmals hat der russische Präsident bekannt, dass es (im Nordkaukasus) soziale und ökonomische Grundlagen für Terrorismus und Extremismus gibt", sagte Erler. Die Bundesregierung lote mit Moskau aus, welchen Beitrag Deutschland im Rahmen der Europäischen Union zur Lösung der Wirtschaftsprobleme in der Region leisten könnte. Darüber wollten Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auch bei dem bevorstehenden Treffen in Hamburg im Dezember sprechen. Nach Angaben von Diplomaten könnte es um deutsche Investitionen in die Unruheregion und um Hilfe bei der Fortbildung von Beamten gehen.

Genau wie die Medien sei auch die deutsche Politik besorgt über „problematische Entwicklungen" in Russland, gestand der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Erler ein. Er verteidigte aber die Linie der Bundesregierung, Russland nicht offen zu kritisieren. „Die Frage ist: Wie hält man noch einen Einfluss, eine konstruktive Begleitung der Prozesse hier aufrecht?" Vor allem Schröder habe sich festgelegt: „Ich werde öffentlich die russische Politik und besonders den russischen Präsidenten nicht kritisieren", zitierte Erler die Position des Kanzlers.

Erler selbst sagte dagegen bei einem Treffen mit russischen Bürgerrechtlern, die nach Beslan umgesetzten Veränderungen des politischen Systems (z.B. Ernennung statt Wahl von Gouverneuren) hätten nichts mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun. „Putins Vorgehen wird nicht zu einer Stabilisierung der russischen Gesellschaft beitragen", warnte er. Bei dem notwendigen Durchgreifen gegen Terrorismus müssten trotzdem die Freiheitsrechte der Bürger gewahrt bleiben.