John Kerry und die Botschaft der „Aufgeklärten Führungsmacht Amerika“
Zur Nominierungsrede von John Kerry vor dem Parteikonvent der Demokraten in Boston erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:
Stärker als erwartet hat John Kerry seine außen- und sicherheitspolitische Alternative zum "System Bush" in den Vordergrund gestellt. Die Botschaft des demokratischen Präsidentschaftskandidaten läuft auf das Ideal einer "Aufgeklärten Führungsmacht Amerika" hinaus. Ähnlich wie Bush beharrt Kerry auf militärischer Stärke. Er will die Streitkräfte sogar um 40.000 Mann verstärken und die Modernisierung der Waffensysteme vorantreiben.
Aber Amerikas Stärke soll sich laut Kerry nicht nur aus der militärischen Überlegenheit speisen, sondern auf Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft setzen. Kerry will, dass die USA "bewundert und nicht nur gefürchtet werden". Geachtet und bewundert wird eine Führungsmacht nur, wenn sie Partner ernst nimmt, Kritiker und Widersacher fair behandelt und die eigene Stärke nutzt, um die Probleme der ganzen Welt anzugehen. Ein solches Amerika hätte es leichter, in Europa engagierte Mitstreiter zu finden.
Stärker als erwartet hat John Kerry auch George W. Bush angegriffen. Aber nicht mit der Keule, sondern mit dem Florett. Das blitzt auf bei seinen Versprechen an Gesellschaft und Streitkräfte, einen Krieg nur zu führen, "wenn wir müssen", niemals Amerika "in einen Krieg irrezuführen" oder niemanden in einen Krieg zu schicken, "ohne einen Plan, wie danach der Frieden zu gewinnen ist". Eine so intelligent verpackte Kritik gerät auch nicht in Gegensatz mit Kerrys populären Appellen zu einer Überwindung der Spaltung des Landes, zur Pflege eines politischen Grundkonsenses und zum "Mitziehen im Optimismus". Jeder versteht, dass Kerry es damit den Bush-Leuten erschweren will, wie bisher allzu harte Ad-personam-Kampagnen gegen ihn zu führen.
Ein bisschen enttäuschend sind die Äußerungen des Herausforderers zum Thema des internationalen Terrorimus. Kerry wagt es hier nicht, sich allzu weit von Bushs Rhetorik des demonstrierten Siegeswillens, des Gewinnens oder Verlierens, zu entfernen. Ein Satz lässt allerdings aufhorchen: "Die Zukunft gehört nicht der Angst, sondern sie gehört der Freiheit!". Eine gute Antwort an den global agierenden Terrorismus, der die Angst zur Waffe macht, aber auch an Präsident Bush, der mit seinem permanenten "War on terrorism" die Gegenangst instrumentalisiert und in der amerikanischen Wagenburg dafür schon bedenklich viel Freiheit, etwa bei den Gesetzten des "Patriot Act", geopfert hat.