Reaktionen auf die Wahl in der Ukraine
Nach der Präsidentenwahl geht der Machtkampf in der Ukraine weiter. Anhänger des angeblich unterlegenen Oppositionsführers Jutschschenko haben die ganze Nacht das schwer bewachte Präsidialamt in Kiew mit Zeltlagern abgeriegelt. Nur wenige hundert Meter entfernt haben nun Gefolgsleute des angeblichen Siegers Janukowitsch damit begonnen, ihr Zeltlager zu bauen. Der demokratisch orientierte Juschtschenko hatte sich wegen des Verdachts auf massive Fälschungen bei der Auszählung gestern zum Sieger der Wahl erklärt und einen Amtseid als Präsident abgelegt. Der scheidende Präsident Kutschma bezeichnete das allerdings als politische Farce, die gefährliche Folgen haben könne.
Dazu Fragen an Gernot Erler, Fraktionsvize und außenpolitischer Experte der SPD.
NDR Info: Herr Erler, wie verhält sich die Bundesregierung in diesem Konflikt?
Erler: Ich finde, dass die Bundesregierung zusammen mit den anderen EU-Staaten das Richtige getan hat. Das sind ja doch sehr auffällige Reaktionen gewesen. Man hat die Botschafter einbestellt, um ihnen auch deutlich zu sagen, was man von dem Wahlergebnis und von der Art der Auszählung hält. Es hat Forderungen zur Neuauszählung und zur Überprüfung der Wahllisten gegeben. Die OSZE hat sehr deutliche Kritik geübt und insofern gibt es hier ganz eindeutig Unterstützung dafür, dass jetzt nicht einfach Janukowitsch zum Sieger geklärt wird und damit die Sache beendet wird.
NDR Info: Die Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von einem offensichtlichen Wahlbetrug in der Ukraine und verlangt von der Bundesregierung, diesen öffentlich zu verurteilen. Warum tut Rot-Grün das nicht?
Erler: Das ist ja schon passiert. Ich sagte schon, dass Fischer den Botschafter einbestellt hat. Der deutsche Bundestag wird heute darüber diskutieren. Und wir haben eine Resolution, eine Entschließung des deutschen Bundestages vorbereitet. Ich gehe davon, dass der heute eine sehr breite Zustimmung finden wird. Diese Erklärung ist sehr deutlich, klagt an, was die Auszählung und die Fälschungen angeht und verlangt hier, bis hin zu möglichen Neuwahlen, eine Überprüfung der Wahlergebnisse.
NDR Info: Russland hat nach wie vor viel Einfluss auf die Ukraine, wird es nicht Zeit, dass Bundeskanzler Schröder mal mit seinem Freund, dem russischen Präsidenten Putin spricht und vermittelt?
Erler: Das wird sehr schnell passieren, weil wir unmittelbar vor dem EU-Russland-Gipfel stehen, der morgen stattfindet. Da werden nicht nur der Bundeskanzler, sondern wahrscheinlich auch viele andere europäische Chefs mit Putin reden. Aber für mich ist interessant, dass nach dem anfänglichen Kurs zu gratulieren jetzt doch in Moskau etwas vorsichtiger agiert wird. Man hat wohl auch bemerkt, welche Situation da in dem Nachbarland entsteht und inzwischen sagt Putin, es sei noch zu früh, es gäbe ja noch gar kein amtliches Endergebnis und ist offenbar etwas zurückhaltender geworden.
NDR Info: Das heißt, sie glauben, dass es in der Ukraine eine ähnliche Entwicklung geben könnte wie vor einem Jahr in Georgien?
Erler: Das ist in der Tat auch vor Ort das Vorbild und ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich mir persönlich wünschen würde, dass hier alle Seiten es schaffen in einer Umwälzung, und das ist eine gesellschaftliche Umwälzung, die wir hier haben, das Durchsetzen einer neuen politischen Kultur der Ehrlichkeit, der Fairness und auch der demokratischen Gesinnung schaffen. Dass dies gelingen würde, wäre schon ein enorm wichtiger Akt. Vor allen Dingen, wenn es gelingen würde, das ohne Blutvergießen zu schaffen.