Pläne zur Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China, Interview mit InfoRadio RBB, 6. Dezember 2004

Pläne zur Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China

Die jährlichen Kanzler-Reisen nach China werden mittlerweile schon als "Familientreffen" eingeschätzt - zumindest vom chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao: der äußerte sich heute entsprechend vor seinem Gespräch mit Bundeskanzler Schröder.

Der dreitägige China-Besuch der deutschen Delegation, zu der auch zahlreiche Unternehmensmanager gehören, dient sicherlich nicht zuletzt den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China. Politisch birgt er einigen Sprengstoff, denn: Gerhard Schröder dürfte sich in Peking - wie vor einem Jahr - für eine Aufhebung des EU-Waffen-Embargos gegen China aussprechen. Das sorgt daheim - nicht nur beim grünen Koalitionspartner - für Missmut.

Rehlinger: Das Waffenembargo gegen China passe nicht mehr in die Zeit, heißt es aus dem Bundeskanzleramt. Wie sehen Sie das?

Erler: Der Bundeskanzler, dessen Position hier bekannt ist, meint damit, dass es erhebliche Verbesserungen bei den chinesischen Menschenrechten und bei der Politik Chinas gegeben hat. Das ist unzweifelbar, aber Rot-Grün hat im Bundestag einen Beschluss gefasst, wonach die Aufhebung dieses Waffenembargos an einige Fortschritte geknüpft ist. Ganz besonders Fortschritte immer noch bei der Menschenrechtssituation in China, die uns noch nicht überzeugen. Dann auch was die Autonomierechte von Minderheiten angeht, auch was die chinesische Politik der Nichtverbreitung von Atomtechnologie und Trägerwaffen angeht und schließlich auch was die friedliche Streitbeilegung in Taiwan - also bei diesem alten Streit zwischen China und Taiwan - angeht. Das sind eine ganze Reihe Hürden, die da aufgebaut sind. Erst wenn hier überzeugende Antworten sind, halten wir es für richtig, einen solchen Schritt einer kompletten Aufhebung des Waffenembargos zu machen.

Rehlinger: Aber selbst die Grünen räumen ein, dass sozusagen die Richtung stimmt, dass es schon Fortschritte in der Menschenrechtspolitik gibt. Wäre diese Tendenz nicht ein Grund, noch einmal neu über das Waffenembargo nachzudenken?

Erler: Das passiert ja, ich meine, das ist keine Sache des Bundeskanzlers oder des Deutschen Bundestages, das Waffenembargo aufzuheben. Das muss einstimmig von der EU gemacht werden, die ja dieses Waffenembargo ausgesprochen hat. Wir haben jetzt am Mittwoch in Den Haag einen sogenannten EU-/China-Gipfel, da wird auch der Ministerpräsident Wen Jiabao erwartet; er wird dort wieder dafür werben, aber ich rechne damit, dass es noch keine Aufhebung des Waffenembargos gibt. Wir haben doch noch ähnliche Bedenken wie wir sie haben bei Großbritannien, auch bei mehreren skandinavischen Ländern. Wahrscheinlich ist, dass man vielleicht China eine Aussicht auf eine solche Aufhebung für die nächste Zeit macht und das möglicherweise mit Hinweisen verknüpft, was sich dafür noch ändern müsste in der politischen Performance von China.

Rehlinger: Das Ganze ist ja sozusagen ein Dilemma, bei dem wirtschaftliche Interessen gegen sicherheitspolitische oder vielleicht auch ethische abgewogen werden müssen. Glauben Sie, der Kanzler hat diese Güterabwägung getroffen?

Erler: Der Kanzler weiß ganz genau, dass was Deutschland angeht, hier eine konkrete Waffenlieferung sowieso nicht ansteht, weil wir so strenge Rüstungsexport-Richtlinien haben, dass eine Lieferung von Deutschland aus nach China gar nicht in Frage kommt. Er setzt sich halt für dieses politische Ziel Chinas ein, in Europa dafür zu werben, dass dieses Waffenembargo jetzt überdacht wird. Natürlich hat er dabei die ziemlich fundamentalen deutschen Interessen hier im Auge. Wir sind ja jetzt wieder Zeuge davon, dass große Verträge, auch viele die viele Arbeitsplätze in Deutschland sichern werden, getroffen werden. Da sieht der Kanzler sich natürlich in der Pflicht, solche Chancen auch tatsächlich zu nutzen und tut dabei eben China den Gefallen, auch in Europa zu werben dafür, dass dieses Waffenembargo überprüft wird.