Presseerklärung vom 22. Dezember 2004

Nach dem Putin-Besuch: SPD begrüßt „Ernte des Vertrauens“

Zu den Ergebnissen der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Hamburg und auf Schloss Gottorf erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:

Allein die Bilanz auf Arbeitsebene beeindruckt: das Regierungsabkommen über vertieften Jugendaustausch, lange und auch mit großem Engagement durch den „Petersburger Dialog" vorbereitet, bessere Zusammenarbeit im Verkehrswesen, mehr Kooperation bei der gemeinsamen Aids-Bekämpfung, Airbus-Aktivitäten mit Partnern in Sibirien, ein Siemens-Auftrag, der in Deutschland 1200 bis 1500 Arbeitsplätze für 3 Jahre sichern wird und Vorbereitungen für eine Volkswagen-Produktion in Russland - da biegt sich der politische Gabentisch. Und das erst recht, wenn man noch die vorfristige Schuldenrückzahlung in Milliardenhöhe dazunimmt.

Es gibt andere Ergebnisse, die diese beachtliche Erfolgsliste an Bedeutung überdauern werden. Der russische Präsident hat offiziell Bundeskanzler Schröder für die Feiern zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 9. Mai 2005 nach Moskau eingeladen. Wenn der Kanzler diese Chance in ähnlicher Weise nutzt, wie er das im vergehenden Jahr in der Normandie und in Warschau getan hat, kann dies mehr bewirken als 28 gute Begegnungen mit Wladimir Putin. Die Angehörigen der 30 Millionen Kriegstoten in Russland und in allen Republiken, die aus der Sowjetunion hervorgegangen sind, werden am 9. Mai auf jedes Wort achten.

In Hamburg und Schleswig hat Präsident Putin darüber hinaus die Öffentlichkeit mit einer neuen Offenheit überrascht. Die Tür wurde aufgemacht für ein partnerschaftliches Dialogprojekt über Parlamentarismus, Rechtsstaatlichkeit und Zivilgesellschaft sowie darüber, welches die richtigen politischen und gesellschaftlichen Antworten auf die Herausforderungen des Terrorismus sind. Und Putin hat die demonstrative Tabuisierung des Themas Tschetschenien beendet und seine Bereitschaft erklärt, zu prüfen, wie Russland, Deutschland und die EU in einem breiteren regionalen Ansatz bei der Lösung des Tschetschenien-Konflikts und der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Stabilisierung im Kaukasus zusammenarbeiten können. Bisher wurden vergleichbare Angebote in Moskau stets abgelehnt.

Wir werden sehr sorgfältig prüfen, ob das tatsächlich ein Durchbruch ist und wie weit die neue Offenheit der russischen Politik geht. Wenn sich die von Wladimir Putin geweckten Erwartungen und Hoffnungen -und sei es nur schrittweise- erfüllen, dann werden die Gespräche in Hamburg und Schleswig weit mehr als ein weiterer großer Baustein für die deutsch-russische „strategische Partnerschaft" sein: Die EU und die ganze Weltgemeinschaft würden dann von dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem russischen Präsidenten profitieren und von der politischen Ernte, die auf diesem gemeinsam bestellten Feld heranwächst. Das gilt schon heute für die Opposition in der Ukraine, die nach den Äußerungen von Präsident Putin in Hamburg einen möglichen russischen Boykott eines Wahlsiegers Juschtschenko kaum mehr fürchten muss.