Stichworte zur Wahlkreisneueinteilung in Südbaden

1. Gesetzliche Vorschriften: Das Gesetz verlangt annähernde Gleichheit der Bedingungen in den Wahlkreisen und stellt das durch gesetzliche Vorschriften und Gebote sicher. Wahlkreise müssen demnach neu zugeschnitten werden, wenn sie um mehr als 25 % nach oben oder nach unten von der Durchschnittsgröße abweichen. Bereits ab 15 % Abweichung besteht Handlungsgebot. Bei den Veränderungen soll nach dem Gesetz die Kontinuität möglichst beachtet werden (keine Veränderungen von Grenzen ohne Not) und bestehende Landkreisgrenzen sollen nach Möglichkeit unangetastet bleiben.

2. In unserer Region gibt es zwei Problemfälle: Der Wahlkreis Waldshut hat nach dem jetzigen Zuschnitt ein Minus von mehr als 28 %. Der Wahlkreis Freiburg weist ein schnell wachsendes Plus von derzeit schon mehr als 15 % aus. Die übrigen südbadischen Wahlkreise befinden sich im Limit.

3. 1996 ist unter der Kohlregierung und unter massiver Einflussnahme der CDU-geführten Stuttgarter Landesregierung eine Wahlkreiseinteilung in Sachen Wahlkreis Waldshut beschlossen (aber bisher nicht vollzogen ): Vom Wahlkreis Lörrach sollten Rheinstetten und Schwörstadt zu Waldshut geschlagen werden. Diese Regelung verstößt gegen das Kontinuitätsprinzip der Landkreisgrenzen (bisher gehört der komplette Landkreis Lörrach zum Bundestagswahlkreis Lörrach) und traf schon damals auf eine überparteiliche (CDU inklusive!) Ablehnung vor Ort. Heute besteht Einvernehmen, dass diese Regelung keinen Bestand haben kann.

4. Unter diesen Umständen bleibt eine Verrechnung der Wahlkreisgrößen zwischen Waldshut und Freiburg ohne Alternative. Als einziger Nachbarwahlkreis des zu kleinen Waldshut hat Freiburg Übergröße. Außerdem ist schon seit Jahrzehnten der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald auf drei Bundestagswahlkreise, darunter auch auf Waldshut, aufgeteilt. Der zuständige Innenausschuss des Bundestages will deshalb Waldshut um weitere Gemeinden des Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald erweitern, damit er die gesetzliche Untergröße überschreitet. Hier auf bisherige Teile des Wahlkreises Freiburg zurückzugreifen macht auch deshalb Sinn, weil die Bevölkerungszahl in Freiburg schnell wächst und andernfalls in wenigen Jahren (bei Überschreitung der 25%-Grenze) der Wahlkreis ohnehin verkleinert werden müsste.

5. Die CDU führt derzeit eine polemische Kampagne gegen die geplante Veränderung und stützt sich dabei auf die verständlichen Proteste in den betroffenen Gemeinden, die vom Freiburger Wahlkreis zum Waldshuter wechseln sollen. Typisch ist, das die CDU/CSU bisher im Innenausschuss keinen Alternativantrag eingebracht hat. Nichthandeln scheidet aber aus Gründen des Gesetzes aus, das von der ehemaligen CDU-Regierung selber auf den Weg gebracht wurde.

6. Ich selber habe keinerlei Interesse an einer Veränderung des Freiburger Wahlkreises, in dem ich seit 14 Jahren Abgeordneter bin und in dem ich in dieser langen Zeit in allen Gemeinden Freunde und Partner gewonnen habe. Als jemand, der in den vier Wahlperioden drei Mal über die Landesliste in den Bundestag eingerückt ist, liegt mir jedes Denken in "Erbhöfen", wie es in der CDU verbreitet ist, völlig fern. Die Bundestagswahl 1998 hat ja gerade gezeigt, dass keine noch so "sichere" Wahlkreiseinteilung eine verlässliche Garantie bietet ( siehe Verlust der seit 1949 bestehenden CDU-Erbhöfe in Lörrach und Freiburg). Die Aussichtslosigkeit, sich Wahlkreise durch Zuschnitt zu sichern, gilt dabei natürlich für alle, ungeachtet der Parteizugehörigkeit. Ich habe mich nachdrücklich bei den Kollegen des Innenausschusses für einen Erhalt des Freiburger Wahlkreises eingesetzt, bin dort aber auf die Tatsachen verwiesen worden, die in den Punkten 1-5 wiedergegeben sind.

7. So wünschenswert der Erhalt des Freiburger Wahlkreises in seinem jetzigen Umfang wäre, so wenig überzeugt es, die Wahlkreisfrage mit der Stadt-Umland-Frage in Verbindung zu bringen. In der Mehrzahl der deutschen Großstädte decken sich die Stadtgrenzen mit den Wahlkreisgrenzen, ohne dass dadurch Stadt-Umland-Beziehungen infragegestellt wären. Hätte Freiburg noch 40 -50 000 Einwohner mehr, gäbe es einen Freiburger Bundestagswahlkreis, der allein das Stadtgebiet umfasste. Niemand käme dann auf die Idee, dass dies von Nachteil für die Stadt-Umland-Beziehungen sein könnte. Die Zukunft liegt sowieso in einer regional ausgerichteten Interessensvertretung, die von den vier sozialdemokratischen MdBs in der südbadischen Oberrheinregion auch bereits seit einiger Zeit praktiziert wird (neben mir Peter Dreßen aus Emmendingen, Marion Caspers-Merk aus Lörrach und Karin Rehbock-Zureich aus Waldshut). Darin liegt auch die Perspektive für die Zukunft nach dem wahrscheinlichen Vollzug eines Gebietsaustausches zwischen den Wahlkreisen Waldshut und Freiburg: Die künftige Interessensvertretung wird nicht lokal nach Wahlkreisen, sondern regional und unter Berücksichtigung der Arbeitsschwerpunkte der beteiligten Abgeordneten organisiert. Dadurch lassen sich auch die praktischen Auswirkungen der gesetzlich vorgeschriebenen Wahlkreisneueinteilung in engen Grenzen halten. Was die Service-Leistungen für Wähler (Petenten -Betreuung) angeht, spielen hierbei schon länger Wahlkreisgrenzen im Vergleich zur Erreichbarkeit des nächsten Abgeordneten-Bürgerbüros eine untergeordnete Rolle. Die Angebote von Freiburg aus für das Umland werden selbstverständlich auch bei geänderten Wahlkreisgrenzen in der bisherigen Weise bestehen bleiben.