Entschließungsantrag der Fraktion SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Antrag der Bundesregierung "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen"

"Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA..."

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

1. Ziel der weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist es, die Urheber, Hintermänner und Unterstützer der Terrorangriffe vom 11. September zur Rechenschaft zu ziehen und die andauernde Gefahr weiterer und möglicherweise noch verheerenderer Anschläge abzuwehren. Jeder Staat steht in der Pflicht, alles Notwendige und heute Leistbare zum dauerhaften Schutz der eigenen Bevölkerung, des Friedens, der internationalen Sicherheit und Stabilität sowie der offenen Gesellschaft zu tun.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Beiträge der Bundesregierung, die darauf abzielen, im Rahmen einer politischen Gesamtstrategie die Sicherheit der Bürger durch kurz- und langfristige Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus zu stärken.

2. Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Überzeugung, dass der Kampf gegen den Terrorismus mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen ist. Der Kampf gegen den Terror kann nur gelingen, wenn vor allem auch politische, ökonomische und humanitäre Maßnahmen ergriffen werden. Die internationale Staatengemeinschaft muss dauerhafte Anstrengungen für eine politische und ökonomische, sicherheitsdienstliche und polizeiliche, ordnungs- und strukturpolitische sowie humanitäre Zusammenarbeit unternehmen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Dafür hat die VN-Resolution 1373 die Grundlage gelegt. Der Deutsche Bundestag begrüßt den Einsatz der Bundesregierung zur Herausbildung und Festigung der globalen politischen Allianz gegen den Terror Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich weiterhin verstärkt dafür einzusetzen, dass in der Europäischen Union und den G8-Staaten, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen die Kooperation bei der umfassenden Bekämpfung der Ursachen des Terrors intensiviert wird.

3. Der Deutsche Bundestag teilt die Auffassung, dass in den Terrorangriffen des 11. September eine zynische Missachtung weltweit gültiger humanitärer Grundsätze und über Kulturgrenzen hinweg geteilter Wertauffassungen hinweg zum Ausdruck gekommen ist. Gerade deshalb ist es unverzichtbar, dass bei den Antworten auf diese Herausforderung diese humanitären Grundsätze und Wertauffassungen beachtet und bewahrt bleiben. Dies gilt auch für die militärischen Maßnahmen gegen die Kommandozentren des Al-Quaida-Netzes und gegen das Taliban-Regime, das diese schützt. Bei der Planung und Durchführung der militärischen Maßnahmen und bei der Wahl der dabei nötigen Einsatzmittel muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der größtmöglichen Vermeidung ziviler Opfer Beachtung finden. Militärische Einsätze zur Bekämpfung der Terroristen müssen so durchgeführt werden, dass sie den politischen Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition nicht gefährden, weitere Eskalationen vermeiden und die politische Perspektive eines befreiten Afghanistan nicht behindern.

4. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung sich verbindlich bereit erklärt hat, dem Deutschen Bundestag und die zuständigen Ausschüsse ausführlich und kontinuierlich über ihre eigenen Beiträge im Kampf gegen die Herausforderungen des Terrorismus zu informieren.

5. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung nach dem 11. September zusätzlich humanitäre Maßnahmen für Afghanistan bereitgestellt hat. Die Bundesregierung hat so schnell und energisch wie kein anderes Land die Mittel für humanitäre Hilfe von 16 auf 86 Millionen DM heraufgesetzt und sich als Vorsitzende im Rahmen der Afghanistan Support Group für eine internationale Kooperation eingesetzt. Der Deutsche Bundestag erklärt schon heute seine Bereitschaft, sich für weitere Hilfsleistungen einzusetzen, wenn dies erforderlich werden sollte. Darüber hinaus wird es maßgeblich darauf ankommen, substantielle Hilfe für den Wiederaufbau in Afghanistan zu leisten. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, vor allem im Rahmen der EU alles zu tun, um eine großzügige und rechtzeitige Aufbauhilfe zu gewährleisten.

6. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Initiativen der Bundesregierung, sich gemeinsam mit den Staaten der Europäischen Union und mit den Vereinigten Staaten aktiv in den politischen Planungs- und Vorbereitungsprozess für die politische Zukunft Afghanistans einzuschalten (Post-Taliban-Prozess) und dabei erfolgreich für eine Vorgehensweise zu werben, die geeignet ist, unter Beteiligung aller politischen und ethnischen Gruppen im Land selbst und im Exil eine dauerhafte politische Lösung für Afghanistan einzuleiten und damit die Katastrophe von nunmehr 22 Jahren Bürgerkrieg nachhaltig zu überwinden. Wichtig ist dabei, dass die politische Lösung für die Zukunft Afghanistans nicht von außen oktroyiert wird, dass sie aber in einer Übergangsphase von den Vereinten Nationen abgesichert wird und sich auf ausreichende internationale Hilfen zum Wiederaufbau des Landes abstützen kann.

7. Dem Terrorismus kann der Nährboden dauerhaft nur entzogen werden, wenn die internationale Gemeinschaft auch ihre Anstrengungen verstärkt, lange schwelende Regionalkonflikte zu lösen, die immer wieder einen Nähr- und Resonanzboden für den Terrorismus bilden. Die mit den Verbündeten abgestimmten Vermittlungsbemühungen des Außenministers im Nahost-Konflikt nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Der Deutsche Bundestag unterstützt insbesondere die intensiven Bemühungen der Bundesregierung, die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten zu stoppen und dem Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern neue Impulse zu verleihen. Der Deutsche Bundestag bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die internationale Kooperation in der Anti-Terror-Allianz auch dazu beitragen wird, die regionalen Konflikte in Kaschmir, auf dem Balkan und in Zentralasien einer friedlichen und fairen Regelung zuzuführen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen, vor allem die EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in die Lage zu versetzen, eine aktivere Rolle bei der Krisenbewältigung und Konfliktprävention zu spielen.

8. Den neuen globalen Bedrohungen wird auf Dauer nur mit einer konsequenten zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention entgegengewirkt werden können. Auf der Grundlage eines umfassenden Sicherheitsbegriffs bedeutet dies, den Ausgleich zwischen Arm und Reich ins Zentrum einer globalen Friedenspolitik zu rücken. Der Deutsche Bundestag ist der Überzeugung, dass die Anstrengungen weltweit erheblich verstärkt werden müssen, die Lebenssituation der bedürftigen Menschen nachhaltig zu verbessern, ihre Teilhabe an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen zu ermöglichen und ein Leben in Würde für alle Menschen sicherzustellen. Damit werden die Möglichkeiten des internationalen Terrorismus eingeschränkt, kulturelle, soziale wirtschaftliche und politische Missstände sowie Unterentwicklung für seine Interessen zu instrumentalisieren. Eine humane Globalisierung kann dazu beitragen, die Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nicht weiter wachsen zu lassen. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Erklärung des Bundeskanzlers, das international vereinbarte Ziel, 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, schrittweise umzusetzen. Das gilt auch für die Initiative der Bundesregierung, die internationalen Entwicklungsziele der Milleniumserklärung der VN-Generalversammlung vom September 2000 zu unterstützen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das im April 2001 verabschiedete Aktionsprogramm 2015 zur Armutsbekämpfung zügig umzusetzen. Verstärkte Unterstützung bei der Demokratisierung sowie Beteiligung der betroffenen Bevölkerung an Entscheidungsprozessen sind in diesem Zusammenhang zentral. Wir müssen der weltweiten Solidarität gegen Terrorismus mit einem Bündnis für globale Gerechtigkeit eine dauerhafte Grundlage geben. Die anstehenden internationalen Konferenzen, wie die Konferenz zu "Financing for Development" im März oder der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im September 2002 bieten gute Gelegenheiten, dieses Bündnis durch konkrete Beschlüsse voranzubringen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung des Welthungers einzunehmen. Gemeinsam mit der FAO soll ein bilateraler Fonds zur Stärkung der ländlichen Räume in den ärmsten Regionen der Welt aufgelegt werden. Zusammen mit dem World Food Programm soll die Hilfe für die notleidenden Menschen in Afghanistan und angrenzenden Ländern deutlich aufgestockt werden.

9. Von besonderer Bedeutung ist die Bereitschaft muslimisch geprägter Staaten, an der Bekämpfung des von afghanischem Territorium ausgehenden Terrorismus mitzuwirken. Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Überzeugung, dass die Ablehnung des Terrorismus von der überwältigenden Mehrheit der Muslime in der Welt geteilt wird. Die kontinuierliche Fortsetzung des Dialogs zwischen den Kulturen und mit den Religionen ist wesentliche Voraussetzung für eine langfristige politische Kooperation und das friedliche Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften. Der Deutsche Bundestag hält es für besonders wichtig, dass die Bundesregierung den Dialog der Kulturen auch mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstattet. Für wünschenswerte und gebotene Anstöße sind rechtzeitige Entscheidungen über die künftige Mittelausstattung erforderlich.

10. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Aussagen des Außenministers vor der 56. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 12.11.01 zur Rolle der Vereinten Nationen als Dach für alle Friedensbemühungen in Afghanistan und zur Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. In diesem Zusammenhang fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, sich für die weltweite Ratifizierung des Statuts von Rom für den Internationalen Strafgerichtshof einzusetzen. Der Internationale Strafgerichtshof kann Völkermord, schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden. Er ist auch geeignet, bei Terroranschlägen wie in New York, Washington und Pennsylvania als "ausgedehnten oder systematischen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung" tätig zu werden. So kann der Internationale Strafgerichtshof zu einem Instrument bei der Terrorismusbekämpfung werden.