Interview in der "Welt" vom 6. November 2002

Erler rechnet mit Zustimmung zu unverändertem Bundeswehr-Mandat

DIE WELT: Wird das Mandat für Enduring Freedom unverändert fortgeführt oder sehen Sie Möglichkeiten für Kompromisse?

Gernot Erler: Nein. Klar ist jetzt, dass die Bundesregierung einen Antrag vorlegen wird, dieses Mandat in unveränderter Form für weitere zwölf Monate zu verlängern. Wünsche aus der Marine, auch Grundwehrdienstleistende auf freiwilliger Basis in die Operationen einzubeziehen, werden darin nicht verwirklicht. Denn dies hätte eine Änderung des ersten Mandats vom 16. November 2001 bedeutet.

DIE WELT: Verteidigungsminister Peter Struck hat immer von einer Verlängerung des Mandats um ein halbes Jahr gesprochen.

Erler: Der von mir maßgeblich formulierte Entschließungsantrag von Rot-Grün und die Kabinettsvorlage der Bundesregierung sehen jetzt zwölf Monate vor.

DIE WELT: Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der Kritiker?

Erler: Bisher sind nur Einwände der Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann bekannt. In der SPD-Fraktion gibt es Kollegen, die Fragen haben. Ich gehe jedoch davon aus, dass die SPD zu einer einheitlichen Abstimmung kommen wird und wir mit den Grünen eine gemeinsame Position beschließen.

DIE WELT: Sie haben den Grünen den Entschließungsantrag zur Beratung vorgelegt.

Erler: Geplant ist ein gemeinsamer Entschließungsantrag wie schon im Jahr 2001. In den fünf Punkten wird die herausragende Bedeutung des Erfolges in Afghanistan unterstrichen. Voraussetzung für den Wiederaufbau des Landes ist, dass in dieser Region Sicherheit herrscht. Afghanistan ist der Testfall dafür, ob die internationale Gemeinschaft im Kampf gegen den Terrorismus Sicherheit bietet. Die Zustimmung für ein zweites Mandat wird damit begründet, dass die Koalition gegen den Terrorismus aufrecht erhalten werden muss.

DIE WELT: Müssen die Fuchs-Spürpanzer und die deutschen Soldaten in Kuwait abgezogen werden, wenn der Krieg im Irak ausbricht?

Erler: In diesem Punkt haben die Grünen Nachfragen. Eine Vermischung von Enduring Freedom und anderen militärischen Operationen darf es nicht geben. Im Gespräch mit den Fraktionen wird sicher klar zu stellen sein, dass eine schleichende Veränderung des Mandats für Enduring Freedom unmöglich ist. Dafür wäre eine erneute Entscheidung des Bundestags erforderlich.

DIE WELT: Minister Struck hält einen Abzug der Spürpanzer außenpolitisch für fatal.

Erler: Der Abzug der Panzer kommt nicht in Frage. Jeder würde das als Reduzierung unseres Beitrags im Kampf gegen den Terrorismus verstehen und womöglich als Beginn eines Rückzuges aus dem gesamten Szenario. Schon deshalb wäre der denkbare Schaden enorm. Ein Abzug wäre außerdem ein erheblicher Rückschlag für die deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Das Interview mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden führte Martin Lutz