Erler lobt schnelle Einigung über Parteivorsitz, Interview mit dem SWR am 2. November 2005

Erler lobt schnelle Einigung über Parteivorsitz

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler begrüßt den Vorschlag den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck zum neuen SPD-Vorsitzenden zu wählen. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Erler, durch die sehr schnelle Entscheidung werde ein politisches Erdbeben zu einer Schrecksekunde. Insofern können die Sozialdemokraten nur dankbar sein, denn Platzeck habe durchaus gezögert, mehr Verantwortung an der Spitze der SPD zu übernehmen. Franz Müntefering werde trotz seines Rückzuges vom Parteivorsitz ein starker Vizekanzler werden zumal Platzeck nicht in das Kabinett Merkel eintreten werde. Die Große Koalition sieht Erler trotz der Personalkrise nicht gefährdet. Es gebe auch keinen Linksruck in der SPD. Deshalb rechne er damit, dass der dann ausgehandelte Koalitionsvertrag auf dem Karlsruher Parteitag angenommen wird.

Moderation: Claus Heinrich

Claus Heinrich: Matthias Platzeck soll neuer SPD-Vorsitzender werden. Eine gute Wahl?

Gernot Erler: Ich finde ja, vor allem eine sehr schnelle Entscheidung in dieser Vakuums-Situation. Insofern wird dadurch ein politisches Erdbeben zu einer Schrecksekunde, die schon mehr oder weniger vorbei ist.

Claus Heinrich: Sie selbst haben aber empfohlen, man soll in zwei Wochen auf dem Parteitag in Karlsruhe erst Mal gar keine Wahlen machen?

Gernot Erler: Es war so, dass ich mir Sorgen gemacht habe darüber, wie das mit der Autorität aussieht auf dem Parteitag und ich weiß, wie viel Zutrauen und Vertrauen da in Franz Müntefering vorhanden ist und dass wir dieses Vertrauen und diesen Handlungsauftrag an Müntefering, glaube ich, für einen erfolgreichen Parteitag brauchen und das Problem ist jetzt so gelöst, dass Franz Müntefering sagt, er bleibt Vizekanzler oder er wird Vizekanzler und Minister für Arbeit und Soziales. Er bleibt also auf der Brücke und gleichzeitig wird die Frage des Parteivorsitzenden gelöst. Das kommt auch vielen Rufen aus der Parteibasis, die meinen Wunsch bestätigt haben, entgegen, die gesagt haben, Münte muss unbedingt bleiben und da ist sozusagen eine Kombination von beidem vorhanden, nämlich Müntefering bleibt in führender Position, aber der Parteivorsitz wird auch gleich geklärt.

Claus Heinrich: Ein starker Vizekanzler kann er trotz seines Rückzuges werden?

Gernot Erler: Davon bin ich überzeugt, zumal ja Matthias Platzeck auch Ministerpräsident in Brandenburg bleibt, sodass er ohnehin sich nur in begrenztem Maße in die Tagesgeschäfte der Berliner Politik einmischen kann und wird.

Claus Heinrich: Der Mann aus dem Osten, der sowohl den harten Deichgrafen geben kann als auch Schlag bei den Frauen hat: wäre Matthias Platzeck eigentlich ein idealer Kanzlerkandidat?

Gernot Erler: Natürlich werden solche Entscheidungen mit dem Blick auf solche Fragen gestellt, aber im Augenblick ist Matthias Platzeck vor allem derjenige, der uns jetzt hilft in dieser Situation, wo eben durch diese Wahl der Generalsekretärin eine Vakanz hier entstanden ist, eine gefährliche in dieser Situation, wo wir gerade die allerschwierigste Endphase dieser Koalitionsgespräche meistern müssen und insofern können wir erst Mal alle dankbar sein, denn er hat vorher durchaus gezögert er hat hier mehr Verantwortung an der Spitze der SPD zu übernehmen, weil er sich auf sein Land konzentrieren wollte.

Claus Heinrich: Aber möglich ist ja durchaus, dass sich die Frage nach einem möglichen Spitzenkandidaten der Sozialdemokratie für eine Bundestagswahl schneller stellen kann als man es will. In der Union wird angeblich über Neuwahlen nachgedacht. Wie schätzen Sie die Gesamtsituation für die Große Koalition ein?

Gernot Erler: Ich bin da immer noch verhalten optimistisch. Erst Mal ist Faktum, dass trotz dieser wirklich gewaltigen Störungen und dieser Krise, die Koalitionsverhandlungen weiter gegangen sind. Und ich bewundere da auch Franz Müntefering, dass er die Kraft hatte, trotz dieses Beschlusses, den er gerade für sich gefasst hatte, das vorgestern auch noch hinzukriegen, da weiter zu machen. Auf allen Ebenen in den Arbeitsgruppen, die noch nicht abgeschlossen haben, gehen die Gespräche weiter. Zwar kommt jetzt erst der allerschwierigste Teil mit Beschlüssen, da wo es am weitesten auseinanderliegt und auch über den Haushalt, das steht noch bevor und da werden beide Seiten sich noch bewegen müssen, aber ich glaube doch, dass alle wissen, es gibt keine Alternative nachdem andere Koalitionsmöglichkeiten ausgeschieden sind, als hier ein Bündnis auf Zeit und zwar auf vier Jahre zu machen. Und die Wähler würden mit Recht sehr verärgert reagieren, wenn nach diesen ganzen Bemühungen plötzlich eine Neuwahl kommt, bei der sogar nach den Umfragen gar nicht zu erwarten wäre, dass hinterher irgendwie eine Konstellation entstehen würde, die eine Regierungsbildung dann erleichtern würde.

Claus Heinrich: Und die Sozialdemokratie wird in zwei Wochen auf dem Parteitag in Karlsruhe auch keine böse Überraschung bescheren und beispielsweise einen Koalitionsvertrag, wenn er dann ausgehandelt ist, ablehnen?

Gernot Erler: Ich glaube, dass diese Behauptung, dass die Wahl von Andrea Nahles einen Linksruck und womöglich sich gegen die Große Koalition richte, von vornherein eine völlige Fehlinterpretation war, diese Auseinandersetzung ging eher um die Frage, wie das Parteileben und die Führung der SPD in einer Großen Koalition organisiert werden sollte und insofern ist an der Entschlossenheit, wenn es dann ein fairer Koalitionsvertrag ist, einer mit dem auch Sozialdemokraten arbeiten können, zu erwarten, dass dieser auch eine Zustimmung bekommt.