"Insgesamt ist ein politischer Schaden entstanden"

SWR-Tagesgespräch, 4. Februar 2016

Gernot Erler über den Besuch des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer bei Russlands Präsident Putin. Das Gespräch führte Florian Rudolph. 

"Insgesamt ist ein politischer Schaden entstanden" - Erler über den Besuch des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer bei Russlands Präsident Putin Baden-Baden: Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Erler hat den Besuch des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer in Moskau scharf kritisiert. Im SWR Tagesgespräch warf Erler dem CSU-Chef unsolidarisches Verhalten vor, weil er beim Treffen mit Präsident Putin Gegenpositionen zur EU in der Frage der Wirtschaftssanktionen und zur Bundeskanzlerin in der Flüchtlingspolitik bezogen habe. Durch diese, so wörtlich „kalkulierten Unfreundlichkeiten“ sei politischer Schaden entstanden. Putin habe jetzt Belege in Form von Bildern, dass die europäische Position der Gemeinsamkeit wackle. Dabei müsse der Führung in Moskau viel mehr klar gemacht werden, dass nur die Punkt- für Punkt-Umsetzung des Friedensabkommens von Minsk zur Ablösung der Sanktionen führt.

Rudolph: Es ist nie verkehrt, wenn man miteinander redet. Wollen Sie da widersprechen?

Erler: Nein, da widerspreche ich nicht. Reden ist vernünftig. Die Frage ist aber natürlich auch, wie man redet und worüber man redet.
Rudolph: Wie man redet – und worüber man redet. Nach allem, was über das Treffen in Putins Residenz vor den Toren Moskaus bekannt geworden ist, wie hat man geredet?

Erler: So, dass eher kalkulierte Unfreundlichkeiten dabei rausgekommen sind, denn, ich meine, Horst Seehofer hat ein Interview bei „Tass“ gegeben, wo er deutlich gemacht hat, dass er nicht die europäische Position zu den Sanktionen teilt. Er hat da auch deutlich gemacht, dass er eine andere Position als die Bundeskanzlerin zur Flüchtlingsfrage hat. Das ist schon ein sehr auffälliges Verhalten und insgesamt ist, glaube ich, ein politischer Schaden entstanden bei diesem Besuch.

Rudolph: Welche Interessen hat der russische Präsident denn seinerseits damit verfolgt, den CSU-Chef zu empfangen?

Erler: Der hat natürlich vorher gewusst, mit welchen Inhalten Seehofer kommt und für den russischen Präsidenten ist es natürlich interessant , jetzt Belege auch in Form von Bildern dafür zu haben, dass diese europäische Position - und das ist eigentlich die wichtigste Stärke bisher der EU gewesen – der Gemeinsamkeit in der Frage der Sanktionen wackelt. Dass es da eben einen wichtigen Politiker gibt, der da ganz anderer Meinung ist und das kommt zu einem ganz schlechten Moment. Weil unser Interesse muss sein, der russischen Führung deutlich zu machen, dass es nur einen Weg zur Ablösung der Sanktionen gibt und das ist die Punkt für Punkt-Umsetzung dieses Minsks-Abkommens. Insofern, das meine ich damit, dass ein politischer Schaden entstanden ist.

Rudolph: Ist Seehofer denn einer, der sich von Putin einspannen lässt?

Erler: Ich glaube eher, es ist so, dass hier ein sehr starkes Geltungsbedürfnis eine Rolle spielt. Ich meine, man muss doch sich mal klar machen, wenn Seehofer mit ein paar Wirtschaftsvertretern oder Kulturvertretern nach Moskau gefahren wäre, ohne ein unsolidarisches Verhalten gegenüber der eigenen Bundesregierung und gegen der europäischen Russland-Politik, hätten niemand groß wahrgenommen, was da passiert. Das Meldungswürdige entsteht ja aus der Unsolidarität und das ist eigentlich das Problem.

Rudolph: Nun fällt der Besuch ja gerade in eine Zeit, wo gesprochen wird über einen hybriden Krieg Russlands auch gegen Deutschland – ein Informationskrieg ausgehend vom Fall „Lisa“, der inzwischen widerlegten angeblichen Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens. Können Sie den erkennen?

Erler: Also auf jeden Fall muss man feststellen, dass die Propaganda-Methoden, die in der Ukraine-Auseinandersetzung schon von Anfang an eine wichtige Rolle in der russischen Politik gehabt haben, jetzt eben auch auf Deutschland angewandt worden sind, in einer Art und Weise, wo Wahrheitsgehalt von Meldungen oder Tatsachen gar keine Rolle mehr spielen, sondern wo es darum geht, Fakes zu erzeugen, Behauptungen aufzustellen, die längst widerlegt sind. Das ist bisher gegenüber Deutschland in dieser Form noch nicht passiert.

Rudolph: Was steckt dahinter? Hat Putin denn eine klare Absicht, die Kanzlerin zu schwächen?

Erler: Ich glaube schon, dass die russische Führung hier ein Interesse hat, gerade die Position Deutschlands auch in Europa hier zu schwächen, weil man natürlich weiß, dass die Bundeskanzlerin und auch der deutsche Außenminister prägend für diese europäische Politik ist. Nach wie vor versucht Russland diesen Druck zu mildern, der da entsteht, was die Umsetzung des Minsk-Abkommens angeht und natürlich steht auch die russische Führung unter Druck, irgendwelche Erfolgserlebnisse vorzuweisen, weil eben die großen Probleme in der russischen Wirtschaft bestehen. Da wäre natürlich ein Ende der Sanktionen ein sehr willkommenes Ergebnis, von einer solchen russischen Politik, die auf eine Änderung der europäischen Politik abzielt.

Rudolph: Nun ist die Kanzlerin aber doch immer noch der erste Ansprechpartner für Putin. Was wäre für ihn gewonnen, wenn er sie schwächt?

Erler: Dann wäre es eben möglich, dass diese Front bröckelt, die es da gibt. Bisher also eine Front der Einigkeit in der EU, die eben ganz eindeutig eine Verbindung hergestellt hat von den Wirtschaftssanktionen und einem konstruktiven Verhalten von Russland in der Ukraine-Krise, ohne die auch diese Krise eben nicht gelöst werden kann und das wäre willkommen aus Moskau.

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