Russlandbeauftragter der Regierung: "Hoffnung, dass es diesmal anders läuft"

Interview WDR 2 Morgenmagazin, 6. Februar 2015

Erst Kiew, jetzt Moskau - Angela Merkel und François Hollande wollen mit ihrer kurzfristigen Mission die Ukrainekrise entschärfen. Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Bundesregierung, sieht eine Chance für eine politische Lösung.

Das Interview im Wortlaut:

WDR 2: Wladimir Putin empfängt am Freitag (06.02.2015) unsere Kanzlerin und Frankreichs Präsidenten, um über einen Friedensplan für die Ukraine zu sprechen. Gernot Erler ist am Telefon, der Russlandbeauftragte der Bundesregierung. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir nicht mehr, als dass dieser Termin ansteht heute Nachmittag. Wir waren ziemlich überrascht - Sie auch?

Gernot Erler: Ja. Ich habe es sehr begrüßt, dass hier noch einmal eine Initiative ergriffen wird, denn die Situation hat sich in den letzten Tagen dramatisch zugespitzt - militärisch, aber eben auch insofern politisch, als wir jetzt immer länger Versuche haben, eine politische Lösung zu finden, auch Ergebnisse von Gesprächen, die aber dann nicht umgesetzt werden. Und das ist natürlich Gift für den Erfolg einer politischen Lösung.

WDR 2: Ist es diplomatische Grundtugend, bei jedem neuen Versuch fest daran zu glauben, oder - wenn Sie ehrlich sind - haben auch Sie wenig Zuversicht?

Gernot Erler: Ich habe wirklich die Hoffnung, dass es diesmal anders läuft. Und das ist natürlich auch das, was die Akteure, also die Bundeskanzlerin und den französischen Staatspräsidenten, hier antreibt. Denn wir alle wissen: Jetzt ist die Gefahr noch viel größer, dass dieser Krieg sich ausweitet, dass er sozusagen zu einem Stellvertreterkrieg wird, wo unter Umständen in den Hintergründen Weltmächte Waffen liefern und vor Ort zum Leid der Zivilbevölkerung ein solcher Konflikt ausgetragen wird. Diese Tatsache ist ja schon vorhanden, aber sie könnte sich noch dramatisch erweitern. Und da ist es das Gebot, auf jeden Fall einen Versuch zu machen, zurückzukommen auf die diplomatische Schiene, und ich glaube, dass diesmal das diplomatische Gepäck ein bisschen anders aussieht als in der Vergangenheit.

WDR 2: Aber da sind auch Sie jetzt im Bereich des Glaubens? Als ich Sie eben gefragt habe: 'Wissen Sie, was der Friedensplan enthält', haben Sie gesagt 'Nein, und das ist auch gut so'. Wieso?

Gernot Erler: Ja, das ist auch gut so, weil er sonst nicht funktionieren würde. Ich meine, wenn man hier eine solche heikle Mission hat, dann muss man vor allen Dingen erstmal schweigen können und kann nicht sagen, mit welchem Konzept man da hinfährt. Es ist ja auch auffällig und richtig gewesen, dass zunächst einmal der Weg nach Kiew führte, um dort mit Präsident Poroschenko über die Einzelheiten zu reden. Und das muss natürlich vertraulich bleiben, obwohl die Spekulationen natürlich ins Kraut schießen.

WDR 2: Ja, eine davon möchte ich noch kurz mit Ihnen besprechen: Glauben Sie wirklich, dass die EU, vertreten durch Frau Merkel und Herrn Hollande, bereit wäre, der Ostukraine mehr Autonomie zuzugestehen?

Gernot Erler: Also, das gehört zu den Gerüchten, was Sie gerade sagen. Aber ich glaube, ein Unterschied zu vorhergehenden Versuchen wird tatsächlich sein, dass man diesmal nicht nur über einen Waffenstillstand redet, sondern andeutungsweise zumindest auch über eine politische Lösung des Konfliktes, wie es weitergehen kann, also über eine Art neue Friedensordnung danach. Und das könnte der Anreiz sein, sowohl für die russische Seite, als auch für die ukrainische Seite, als auch vielleicht für die Seite der Separatisten, dann doch eine Vereinbarung, die man trifft, dann auch umzusetzen versucht. Daran hat es ja in der Vergangenheit gefehlt.

WDR 2: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte WDR 2 Moderator Uwe Schulz.

Hier kann man den Beitrag im WDR 2 anhören.