Russlands Verantwortung im Syrienkonflikt

Zur Verantwortung Moskaus im aktuellen Syrienkonflikt erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Wenn der Anschein zur Gewissheit wird, dass die Opfer von Irbin in einem heimtückischen Giftgasangriff ihr Leben lassen mussten, wird die Einstufung der Vorgänge als „Überschreiten einer roten Linie" zu einem schwer erträglichen Euphemismus. Dann handelt es sich um ein monströses Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für das sich das Massaker in Halabdscha von Saddam Hussein aus dem Jahr 1988 als Vergleich anbietet. Wenn bewiesen werden kann, dass Präsident Assad die Verantwortung für dieses Verbrechen trägt, kann Russland seine bisherige Politik im Syrienkonflikt nicht unverändert lassen.

Russland ist Unterzeichner des Chemiewaffenübereinkommens, trägt das Ziel einer chemiewaffenfreien Welt mit und hat erhebliche Anstrengungen zur Vernichtung der eigenen C-Waffen-Bestände unternommen. Unmöglich kann Moskau es zulassen, dass ein enger Verbündeter die Weltgemeinschaft, Moskau eingeschlossen, mit einem offenen Chemiewaffeneinsatz gegen die eigene Bevölkerung provoziert. Baschar al Assad pflegt die Aufständischen als „Terroristen" zu bezeichnen, hat möglicherweise aber jetzt einen Terrorangriff mit einer weltweit verbotenen und geächteten Waffenkategorie zu verantworten. Das würfe aber nicht nur einen düsteren Schatten auf ihn, sondern auch auf seine Verbündeten, sofern diese nicht sofort reagieren.

Die Tatsache, dass sich im Moment spezialisierte UN-Inspektoren vor Ort befinden, erzwingt geradezu deren Einsatz. Der syrische Präsident wird diesmal nicht mit einer Unschuldsbeteuerung davon kommen, sondern muss dem UN-Team jede Möglichkeit zur Untersuchung des Verbrechens öffnen. Es ist keine unbillige Erwartung an die russische Führung, den eigenen Verbündeten mit allem denkbaren Nachdruck genau zu diesem Verhalten zu drängen. Das schließt das Risiko ein, dass am Ende der Untersuchungen Baschar al Assad nicht länger ein Partner der russischen Politik sein kann.

23. August 2013