Obama ist der SPD näher als Merkel

Interview in der Saarbrücker Zeitung, 14. Februar 2013

Außenpolitik-Experte Erler lobt politische Pläne des US-Präsidenten. US-Präsident Barack Obama setzt auf einen starken Staat und weniger Soldaten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Der Fraktionsvize und Außenpolitik-Experte der SPD, Gernot Erler, sieht darin einen "Paradigmenwechsel". Die Folgen für Europa erläuterte er im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter.

Stefan Vetter: Herr Erler, Obama hat eine kämpferische Rede zur Lage der Nation gehalten. Was ist von ihm in seiner zweiten Amtszeit zu erwarten?

Gernot Erler: Obama hat eine anspruchsvolle linksliberale Reform-Agenda vorgetragen. Er nutzt damit die Chance, die ein US-Präsident in seiner zweiten Amtszeit hat, nämlich sich nicht mehr um seine Wiederwahl kümmern zu müssen. Das macht Obama politisch freier. Er sucht neue Bündnisse auch mit der Öffentlichkeit, um sie auf seine Seite zu ziehen - und damit gegen den politische Gegner, die Republikaner, zu positionieren.

Stefan Vetter: Aber was wird von seiner Agenda übrig bleiben? Im US-Parlament können die Republikaner praktisch alles blockieren

Gernot Erler: Das stimmt, aber die Frage ist, ob die Republikaner das durchhalten. Im kommenden Jahr stehen wieder Kongresswahlen an. Da können sich die Mehrheiten auch ändern. Obamas Ansatz, etwa mit Steuererhöhungen für Wohlhabende dringende Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu finanzieren, könnte durchaus mehrheitsfähig werden. Denn bei einer Totalblockade wird es auch keine Sanierung der Haushalte geben.

Stefan Vetter: Aber für Obama hat der Abbau des riesigen Haushaltsdefizits keine Priorität mehr.

Gernot Erler: Obama hat klargestellt, dass bloßes Sparen für ihn noch keine Wirtschaftspolitik ist. Es braucht auch Wachstum. Deshalb seine Investitionsoffensive. Genau diese Diskussion wird ja auch in der EU geführt. Und da ist Obama der SPD jetzt näher als Angela Merkel.

Stefan Vetter: Gilt das auch für Obamas Außenpolitik? Im Anti-Terror-Kampf wollen die USA künftig Länder wie Jemen oder Somalia beim Aufbau eigener Sicherheitsstrukturen unterstützen. Ist das nicht blauäugig?

Gernot Erler: Das ist ganz und gar nicht blauäugig. Wir haben es hier mit einem Paradigmenwechsel zu tun, den wir sehr ernst nehmen müssen. Die USA stehen unter dem Druck, dass sie in Afghanistan und dem Irak groß angelegte Militärinterventionen durchgeführt haben mit unerträglichen Kosten an Geld und Menschenleben und mit nur dürftigen Erfolgen. Die Alternative ist nun, die Selbstverantwortung bislang instabiler Staaten für ihre eigene Sicherheit zu stärken.

Stefan Vetter: Und das soll funktionieren?

Gernot Erler: Dieser Paradigmenwechsel hat sich schon im März 2011 angedeutet, als die Amerikaner nur kurz in Libyen eingegriffen haben, die weitere Entwicklung aber den europäischen Verbündeten überließen.

Stefan Vetter: Das heißt, wenn die USA ihr militärisches Engagement zurückfahren, ist auch die Bundeswehr bei der internationalen Konfliktbewältigung künftig stärker gefordert?

Gernot Erler:  Was im europäischen Verantwortungsbereich liegt, wird künftig sicher nicht mehr durch die USA geschultert. Das zeigt sich gegenwärtig in Mali, wo Frankreich wegen seiner historischen Verbindungen zu dem afrikanischen Land militärisch eingreift. Deutschland muss Obamas Weg der Befähigung zur Eigenverantwortung mitgehen, um in Not geratene Länder zu stabilisieren. Dadurch werden auch längere Auslandseinsätze der Bundeswehr unwahrscheinlicher.

Stefan Vetter: Was steckt hinter Obamas Initiative für ein Freihandelsabkommen mit der EU?

Gernot Erler: Obama will damit Wachstumsimpulse zugunsten der US-Wirtschaft mobilisieren. Das hat auch für Europa große Vorteile, weil es dem alten Kontinent ebenfalls helfen würde, seine Wirtschaft anzukurbeln.