Afghanistankonferenz mit schwerer Hypothek

Zur bevorstehenden Bonner Afghanistankonferenz und dem weiteren deutschen Afghanistanengagement erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Wenn am Montag in Bonn die Außenminister von rund 100 Staaten zusammenkommen, um über die weitere Zukunft Afghanistans zu beraten, wird mit Pakistan einer der entscheidenden regionalen Akteure fehlen. Damit lastet auf der Konferenz, die seit über einem Jahr akribisch vorbereitet wurde, eine schwere Hypothek. Denn eine Lösung des Afghanistanproblems ohne eine Einbindung Pakistans ist undenkbar.

In einem sind sich alle Akteure einig: Es gibt keine militärische, sondern nur eine politische Lösung in Afghanistan. Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in einem Dialogprozess mit den Taliban und anderen Aufständischen. Ohne eine politische Einbindung dieser Kräfte wird es nicht gelingen, Afghanistan zu befrieden. Doch dies wird wiederum nur dann zum Erfolg führen, wenn Islamabad einen solchen Prozess nicht fortwährend hintertreibt. Insofern wird die Bonner Konferenz in dieser Frage nicht viel bewegen können, da ein entscheidender „Player" nicht mit an Bord ist.

Die Bundesregierung und ihre internationalen Partner müssen daher alles daran setzen, Pakistan schnellstmöglich wieder mit ins Boot zu holen. Sonst droht dem Transitionsprozess, der im Juli 2011 begonnen hat, bereits ein Scheitern, bevor er überhaupt abgeschlossen worden ist.

Genauso wichtig wird sein, welche weiteren Botschaften von der Konferenz für die Zeit nach 2014 ausgesendet werden, also nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen. Afghanistan darf nicht wieder seinem Schicksal überlassen werden, sondern muss sich auf eine langfristige Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft verlassen können.

Diese betrifft sowohl die Unterstützung beim Aufbau stabiler politischer und wirtschaftlicher Strukturen, die das Land lebensfähig machen, als auch beim Aufbau polizeilicher und militärischer Sicherheitskräfte, die den Afghanen die erforderlichen Instrumente zum Schutz vor terroristischen Aktivitäten verschaffen.

Die SPD hat bereits vor über zwei Jahren die Einleitung eines Transitionsprozesses als Voraussetzung für den Abzug der internationalen Kampftruppen gefordert. Die NATO hat sich auf ihrem Lissaboner Gipfel vor einem Jahr selbst verpflichtet, ihren Kampfeinsatz bis 2014 zu beenden.

Jetzt kommt es darauf an, dass der Weg bis dahin optimal genutzt wird, um ein Abgleiten Afghanistans in Chaos und Tyrannei nach 2014 zu verhindern. Der Konferenzboykott Pakistans lässt leider nichts Gutes ahnen. Es bleibt daher viel zu tun für Merkel und Westerwelle, um ein Scheitern der gesamten Mission noch zu verhindern.

2. Dezember 2011