Jetzt auch Niebel gegen Westerwelle
Zu den Äußerungen von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel in Bezug auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:
Mit seiner Warnung vor einem EU-Beitritt der Türkei stellt sich Entwicklungshilfeminister Niebel frontal gegen seinen Parteifreund und Außenminister Westerwelle. Nach der Demütigung durch den Parteivorsitzenden Rösler in der Libyen-Frage desavouiert damit ein zweiter FDP-Minister innerhalb kürzester Zeit den ehemaligen Megastar der FDP.
Westerwelle muss sich langsam fragen lassen, wer international noch auf ihn hören soll, wenn er nicht einmal in der Lage ist, seine engsten Parteifreunde von seiner Politik zu überzeugen.
Das deutsche Durcheinander in der Türkeipolitik nimmt immer mehr chaotische Ausmaße an. Nachdem sich die Bundeskanzlerin bereits zu Beginn der Woche ebenfalls ablehnend gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei geäußert hatte, betonte Bundespräsident Wulff beim Besuch seines türkischen Amtskollegen Gül völlig zu Recht die Ergebnisoffenheit des Verhandlungsprozesses.
Die Brüskierungen der Türkei - übrigens in Verletzung des Koalitionsvertrages von Schwarz-Gelb sind einfach nur dumm. Die Türkei hat durch wirtschaftliches Wachstum, aber auch durch erkennbare Schritte zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und nicht zuletzt durch eine Außenpolitik, die auf eine Mittlerrolle in der arabischen Welt setzt, erheblich an Einfluss und Gewicht als Regionalmacht gewonnen. Eine rechtsstaatliche Türkei, die auch international auf die Einhaltung des Rechts sowie auf die friedliche Lösung von Konflikten setzt und sich in die Meinungsbildungsprozesse innerhalb der EU eingliedert, wäre ein Gewinn für die ganze Weltpolitik. Daher ist es völlig unverantwortlich, jetzt den 2005 gemeinsam von der EU begonnenen Verhandlungsprozess endgültig zu torpedieren.
22. September 2011