Jahresabrüstungsbericht: Westerwelles deplatzierter Zweckoptimismus

Zum heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Jahresabrüstungsbericht erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Wenn die Bundesregierung rückblickend von einem erfolgreichen Jahr für die weltweite Abrüstung und die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen spricht, muss man sich fragen, von welcher Welt sie eigentlich spricht.

Richtig: Die gestrige Ratifizierung des neuen START-Abkommens durch die russische Duma ist ein wichtiger Schritt für die Begrenzung der amerikanischen und russischen Nukleararsenale. Doch wie sieht es im übrigen Teil der Welt aus?

Nach wie vor ungeklärt sind die iranischen Nuklearambitionen. Sollte der Iran dieses Programm vorantreiben und tatsächlich zu einer Nuklearmacht aufsteigen, würde dies zu einer unvermeidlichen Kettenreaktion im nahen und Mittleren Osten führen.

Nordkorea hat erst vor wenigen Wochen den gesamten ostasiatischen Raum in Angst und Schrecken versetzt. Die augenblicklichen Entspannungssignale aus Pjöngjang und Seoul dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel jederzeit wieder eskalieren können.

In Pakistan, einer weiteren Nuklearmacht, die nicht dem Atomwaffensperrvertrag angehört, ist das Erstarken islamistischer Kräfte unübersehbar. Die Gewissheit in der westlichen Welt, dass die pakistanischen Atomwaffen niemals in die Hände von Islamisten fallen, ist längst einer wachsenden Besorgnis über die dortige Entwicklung gewichen.

Diese Beispiele ließen sich leider mühelos erweitern. Insofern ist der Zweckoptimismus der Bundesregierung fehl am Platz. Gefragt wäre eine realistische und nüchterne Bilanz sowie konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der weltweiten Atomwaffen.

Herr Westerwelle könnte damit im eigenen Land anfangen, indem er die letzten amerikanischen US-Atomwaffen aus Deutschland abziehen lässt, so wie er es noch im Koalitionsvertrag versprochen hat. Doch davon ist von ihm leider nichts mehr zu hören.