Midterm Elections in den USA: Niederlage der Demokraten erlaubt keine Prognose für 2012

Pressemitteilung, 3. November 2010

Zum Ausgang der amerikanischen Kongresswahlen und den Folgen für die Präsidentschaft von Barack Obama erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Trotz der bitteren Resultate für die Demokraten: Präsident Obama ist damit noch lange nicht abgeschrieben. Eine Vorentscheidung über die nächste Präsidentschaftswahl ist noch lange nicht gefallen, zumal der partielle Erfolg der "Tea Party"-Bewegung einen tiefen Riss, der quer durch die Republikanische Partei geht, offenbart.

Viele Amerikaner leiden noch unter den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die insbesondere die amerikanische Wirtschaft hart getroffen hat. Präsident Obama, der die Misere zwar nicht zu verantworten, sie aber von seinem Vorgänger George W. Bush geerbt hat, musste daher für viele Wählerinnen und Wähler, die sich einen schnelleren Wandel zum Besseren erhofft hatten, als Sündenbock herhalten.

Insofern folgt die Niederlage der "Präsidenten-Partei" bei den Midterm Elections einem klassischen Muster: Auch seine Vorgänger Bush, Clinton und Reagan mussten ähnliche Erfahrungen machen, gewannen aber dennoch ein zweites Mal die Präsidentschaftswahlen. Aus heutiger Sicht spricht nichts dagegen, dass dies auch Barack Obama gelingen kann.

Die USA befinden sich in einem Zustand der Verunsicherung. Sie sind mit einer zunehmend multipolaren Welt konfrontiert. "Aufsteigende Mächte", allen voran China, aber auch Länder wie Indien oder Brasilien gewinnen stetig an Einfluss. Niemand macht den USA ihre Führungsrolle streitig, aber der wirtschaftliche Aufstieg der "Emerging Powers", der zwangsläufig zu mehr politischem Gewicht führt, relativiert die bislang unangefochtene Machtstellung der USA.

Als Präsident Obama Anfang 2009 sein Amt antrat, hat er ein Land übernommen, das wirtschaftlich am Boden und außenpolitisch zunehmend in die Defensive geraten war. Barack Obama hat daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen und sein Land sowohl innen- als auch außenpolitisch auf vielen Gebieten neu aufgestellt.

Statt Unilateralismus setzt Obama verstärkt auf Partnerschaft und multilaterale Kooperation. China und Russland werden nicht mehr ausgegrenzt, sondern in die Lösung globaler Probleme einbezogen. Der Abschluss eines neuen START-Abkommens, in dem sich auch das deutlich verbesserte Verhältnis zu Russland ausdrückt, ist nur ein Beispiel. Auch die Rolle des Anti-Terror-Kampfs, unter Präsident Bush jahrelang ganz oben auf der poltischen Agenda, wurde auf ein angemessenes Maß reduziert.

Eine sichtbare Folge ist der Rückzug aus dem Irak - der Krieg dort hat die USA in den vergangenen sieben Jahren mehr als eine Billion Dollar gekostet, und in ihm haben über 4.400 US-Soldaten ihr Leben verloren. Nicht nur viele Amerikaner fragen sich, ob es dieser Preis wirklich wert war, um im Irak einen Regime-Change zu erzwingen, der dem Land weder die ersehnte Demokratie noch die dringend erforderliche Stabilität gebracht hat.

Auch Obamas Ankündigung, im Jahr 2011 mit dem Rückzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan zu beginnen, entspringt derselben Erkenntnis: Konflikte können nicht allein mit militärischen Mitteln gelöst werden. Nur politische Lösungen sind auf Dauer tragfähig. Obamas berühmte Kairoer Rede zu Beginn seiner Amtszeit war ein erstes Signal an die muslimische Welt. Die Verleihung des Friedensnobelpreises war auch Ausdruck der weltweiten Erleichterung darüber, dass jetzt im Weißen Haus wieder ein Präsident sitzt, der zuerst die Instrumente der internationalen Diplomatie nutzen möchte und nicht primär das Militär zur Durchsetzung westlicher Demokratievorstellungen.

Bei allen offenen und ungelösten Problemen, die noch vor ihm liegen: Präsident Obama hat eines seiner wichtigsten Versprechen, das Ansehen der USA in der Welt wieder herzustellen, ein gutes Stück voran gebracht. Es liegt im deutschen und europäischen Interesse, dass der amerikanische Präsident auch nach den jetzigen Wahlen diesen Weg weitergeht.