Schwarz-gelbe Außen- und Entwicklungspolitik: Verpasste Chancen und verspieltes Vertrauen

Pressemitteilung, 25. Oktober 2010

Zur einjährigen Bilanz der beiden FDP-Minister Westerwelle und Niebel erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Eine solch niederschmetternde Bilanz in der Außen- und Entwicklungspolitik nach einem Jahr schwarz-gelber Bundesregierung hätten sich auch die größten Skeptiker kaum vorstellen können. Viel zerschlagenes Porzellan und weltweit ausgelöste Irritationen - so lassen sich die zwölf Monate Amtszeit von Westerwelle und Niebel noch am ehesten auf einen Punkt bringen.

Guido Westerwelle, als selbst ernannter Abrüstungsminister gestartet, ist mittlerweile selbst für die eigenen Parteifreunde zu einer solchen Belastung geworden, dass er sogar aus den eigenen Reihen als "Grüßgottaugust" verspottet wird. Und die Atomwaffen auf deutschem Boden, die Westerwelle so schnell wie möglich aus dem Land schaffen wollte, stehen immer noch da, wo sie bereits vorher waren. Inzwischen dürfte klar sein, dass ihr Verbleib in Deutschland länger währen wird, als der Verbleib von Westerwelle im Amt des Außenministers.

Bei den entscheidenden internationalen Themen wie Afghanistan, Iran oder Nahost spielt die deutsche Außenpolitik bestenfalls noch die Rolle eines Beobachters. Von Gestaltung keine Spur. Und mit dem nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, den sich der Außenminister gerne auf seine Fahnen schreiben möchte, fährt er wohl eher die Ernte ein, die andere vor ihm gesät haben.

Am schlimmsten ist es aber um die Prioritätensetzung in seinem eigenen Haus bestellt, wie ein Blick auf den Haushaltsentwurf für 2011 offenbart: Der Bereich Krisenprävention, laut Westerwelle ein "fester Bestandteil deutscher Friedenspolitik" soll um ein Drittel gekürzt werden. Das gleiche gilt für den Bereich Abrüstung. Damit aber nicht genug: Bei der Förderung der Menschenrechte wird gleich um 50 Prozent gekürzt und selbst bei der humanitären Soforthilfe, deren Bedeutung gerade erst wieder bei der Flutkatastrophe in Pakistan unterstrichen wurde, sollen 20 Prozent dem Rotstift zum Opfer fallen.

Westerwelle hat das Ansehen der deutschen Außenpolitik in nur zwölf Monaten massiv heruntergewirtschaftet. Nicht einmal im eigenen Kabinett wird er noch ernst genommen, wie der jüngste Streit um die Frage der automatischen Sanktionen beim Euro-Stabilitätspakt gezeigt hat.

Leider lässt sich über Westerwelles FDP-Amtskollegen Dirk Niebel nicht viel Positiveres feststellen: Niebel ist einer der ersten Minister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der ein Ministerium leitet, das er eigentlich abschaffen wollte. Doch das scheint ihn nicht weiter zu stören. Dafür hat er gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Reihe verdienter Parteifreunde auf interessante Posten innerhalb seines Hauses gehievt. Sachkenntnis war dabei ein eher nachrangiges Kriterium.

Als nächstes hat er allen deutschen Hilfsorganisationen in Afghanistan mit der Aufkündigung der Unterstützung gedroht, sollten sie nicht geräuschlos mit der Bundeswehr kooperieren. Dass dadurch der so dringend erforderliche zivile Aufbau in Afghanistan eher behindert als gefördert wird, ist Niebel wohl nicht so wichtig. Ein weiteres Markenzeichen liberaler Entwicklungspolitik scheint die Förderung des deutschen Mittelstands zu sein. Bilaterale Projekte sollen künftig den Vorrang haben vor multilateraler Zusammenarbeit. Doch moderne Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich nicht durch nationale Alleingänge aus, sondern koordiniert sich mit internationalen Partnern mit dem Ziel einer globalen Strukturpolitik.

Am schlimmsten sieht es aber im Bereich der international gemachten Zusagen aus. Schon heute ist klar, dass das Versprechen, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, nicht gehalten werden kann. Nicht einmal die für dieses Jahr zugesagten 0,51 Prozent wurden erreicht. Doch damit nicht genug: In der Sommerpause verkündete Niebel allen Ernstes, die Mittel für den Globalen Fond, aus dem Kampagnen gegen Aids und andere Epidemien finanziert werden, radikal zu kürzen. Erst nach wochenlangen Protesten aus Zivilgesellschaft, Kirchen und Opposition hat die Bundesregierung diese Androhung zurückgezogen. Doch das internationale Ansehen und Vertrauen ist ramponiert.

Zwölf Monate Westerwelle und Niebel - eine ernüchternde Bilanz. Schon heute lässt sich feststellen, dass die Nachfolger, die irgendwann ihr Erbe anzutreten haben, einen großen Besen benötigen, um das zerschlagene Porzellan zusammenzufegen und den Vertrauens- und Ansehensverlust Deutschlands in der Welt zu reparieren.