Wahlen in Afghanistan: Westerwelle betreibt Schönfärberei

Pressemitteilung, 20. September 2010

Zu den am Wochenende stattgefundenen Wahlen in Afghanistan erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Wenn Außenminister Westerwelle erklärt, allein die Durchführung der Wahlen sei schon ein Erfolg für Afghanistan, legt er die Messlatte bedenklich tief. Er setzt sich damit dem Vorwurf der Schönfärberei aus, zumal die Berichte über Wahlmanipulationen nicht abreißen.

Die Liste der Vorwürfe ist lang, und es dürfte schwer fallen, sie mehrheitlich zu widerlegen. Bereits das von Präsident Karzai durchgepeitschte Wahlgesetz ließ befürchten, dass die jetzigen Parlamentswahlen gegenüber den letzten von 2005 von den Verfahren her einen Rückschritt darstellen. Sowohl die Zusammensetzung der afghanischen Wahlbeschwerdekommission (ECC) als auch die der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) ließen Zweifel an der erforderlichen Unabhängigkeit und Seriosität aufkommen. Berichte über gefälschte Wahlkarten, fehlende Stimmzettel und defekte Wahlmarkierungsmaschinen deuten zudem darauf hin, dass selbst bei wohlwollender Betrachtung nicht von durchweg fairen und nach demokratischen Spielregeln abgehaltenen Wahlen gesprochen werden kann.

Den Afghaninnen und Afghanen, die trotz der widrigen Begleitumstände und der andauernden terroristischen Bedrohungen dennoch zur Wahl gegangen sind, gilt unsere allerhöchste Anerkennung. Viele von ihnen haben ihr Leben riskiert, einige wurden Opfer heimtückischer Anschläge. Gerade deshalb dürfen die Hoffnungen der Menschen in Afghanistan auf einen demokratischen Wandel nicht enttäuscht werden. Präsident Karzai und seine Regierung müssen stärker in die Verantwortung genommen werden.

Die jetzt offen zutage getretenen Missstände dürfen weder von der Internationalen Gemeinschaft noch von der Bundesregierung einfach hingenommen werden. Darüber hinaus muss die Bundesregierung erklären, wie sie das von ihr proklamierte Ziel, die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Institutionen, erreichen will, ohne dass demokratische Mindeststandards unterschritten werden.