Westerwelle weckt unrealistische Hoffnungen
Gernot Erler im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur, 10. Juli 2010
Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Gernot Erler hat die Ankündigung von Bundesaußenminister Westerwelle (FDP), 2011 mit dem Abzug aus Afghanistan zu beginnen und eine erste Provinz des Nordens in die Verantwortung afghanischer Sicherheitskräfte zu übergeben, als "blutleer" kritisiert.
Es entstehe zum wiederholten Male der Eindruck, dass Hoffnungen geweckt würden, die "auf keiner realistischen Basis" beruhten, sagte der SPD-Außenexperte. Es handele sich um eine Ankündigung, die nicht überprüft werden könne. Erler fragte: "Welche Provinz ist eigentlich überhaupt gemeint?"Erler betonte, dass der Beginn des Abzugs ab 2011 sich auch mit den Plänen von US-Präsident Obama decke, "wenn es möglich ist, bestimmte Teile des Landes tatsächlich in die Hände von den jetzt immer stärker auszubildenden Soldaten und Polizisten Afghanistans zu übergeben." Soweit handele es sich um die gemeinsame Strategie der beteiligten Staaten. Er kritisierte jedoch: "Aber dann muss doch jetzt nicht ein Jahr vorher schon klar sein, wo dort begonnen wird und wo die Voraussetzungen dafür eigentlich konkret geschaffen werden. Da kann man nicht einfach sagen, wir wollen eine Provinz übergeben."
Kritik übte der SPD-Politiker auch an der ablehnenden Haltung der Regierung gegenüber einer wissenschaftlichen Auswertung der Entwicklungen in Afghanistan. Bisher gebe es völlig unterschiedliche Einschätzungen der Lage vor Ort. Deshalb sei eine belastbare Faktengrundlage notwendig, die möglichst von unabhängigen Spezialisten erstellt werden müsse. Ursprünglich habe es hierzu einen Konsens zwischen SPD und Grünen sowie der Regierung gegeben: "Und plötzlich haben aber die Regierungsvertreter, auch jetzt in der Debatte gestern, gesagt, man könne keine Entscheidungsbefugnisse aus der Hand geben."