Prag und warum es keine Verlierer geben darf

Pressemitteilung vom 9. April 2010

Zum Treffen des US-Präsidenten mit elf Staats- und Regierungschefs Mittel- und Osteuropas am Abend der feierlichen Unterzeichnung des START-Nachfolgeabkommens erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Es war atmosphärisch wichtig, dass Präsident Obama am Donnerstagabend in Prag nach seinem Treffen mit Präsident Medwedjew bei einem Abendessen mit elf Staats- und Regierungschefs aus Mittel- und Osteuropa um Vertrauen in die amerikanische Politik geworben hat.

Die Sachprobleme werden uns weiter fordern. Besonders Länder wie Polen, Tschechien und die baltischen Republiken bleiben weiter auf der Suche nach besonderen Sicherheitsgarantien - gegen Russland. Sie fühlten sich ganz wohl als hervorgehobene Partner der USA unter Obamas Vorgänger, als die Trennlinien in Sachen Irak-Krieg quer durch Europa führten; Washingtons Raketenabwehrpläne ermutigten dazu, weniger in der NATO-Mitgliedschaft allein als in dieser militärischen Sonderrolle die gewünschten Garantien gegen den übermächtigen Nachbarn im Osten zu erblicken.

Der Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten hat alles verändert. Obama hat die Missile Defense vorerst auf Eis gelegt, hat mit Medwedjew das START-Nachfolgeabkommen ausgehandelt und sieht das als verheißungsvolle Chance für den "Reset" in den russisch-amerikanischen Beziehungen. Selbst die NATO, die nach dem Kaukasus-Krieg vom August 2008 die Kooperation mit Moskau demonstrativ reduzierte, setzt längst wieder auf Normalisierung. Obama wird in Prag gespürt haben, welche Sorgen das alles in Teilen Osteuropas auslöst. Diese Sorgen als guter Zuhörer zur Kenntnis zu nehmen, wird über den Tag hinaus nicht reichen. Gemeinsam müssen EU und Amerika versuchen, diese mittel- und osteuropäischen Staaten mitzunehmen auf einem politischen Pfad zu einer neuen gesamteuropäischen Sicherheit - nicht gegen, sondern mit der Russischen Föderation. Es gibt in Moskau mittlerweile vermehrt Stimmen der Vernunft, die ihrerseits hierzu keine sinnvolle Alternative sehen. Die Instrumente, die eine solche Zukunft ebnen könnten, müssen nicht neu erfunden, sondern nur entschlossener genutzt werden. Gemeint sind die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen EU und Russland, über die ein auffälliges Stillschweigen herrscht, die Umsetzung der Strategie der "Östlichen Partnerschaft" der EU mit den sechs Ländern zwischen EU und Russland sowie die überfällige Aufnahme des Dialogs mit Moskau über Medwedjews Vorschläge zu einer neuen gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur.

Überzeugende Ergebnisse auf diesen drei Arbeitsfeldern könnten helfen, substantielle Antworten auf das gefühlte Sicherheitsvakuum in den genannten Ländern Mittel- und Osteuropas zu finden. Es wäre wichtig.