Gernot Erler: Zentralasien verbindet Europa und Asien

Interview in den Zentralasien-Analysen 8/2008 

Frage: Was bedeutet Zentralasien für Sie?

Erler: Ich glaube, dass Zentralasien eine besondere Rolle als Verbindung zwischen Europa und Asien hat. Es ist interessant und für uns nicht unwichtig, wie sich die Länder in Zukunft entwickeln werden. Zum einen können sie eine stabilisierende Rolle in der Region spielen vor dem Hintergrund des Afghanistankonflikts, zum anderen ergibt sich ihre Bedeutung auch aus ihren Rohstoffressourcen wie Öl und Gas, aber auch Wasser.

Frage: Kann man sagen, dass Kasachstan eine Führungsrolle in Zentralasien hat?

Erler: Es wäre sehr zu begrüßen, wenn sich in Zentralasien so etwas wie eine regionale Identität herausbilden würde, auch wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass dies ein sehr langwieriger Prozess sein wird. Das Land, dessen Modernisierung bislang am weitesten vorangeschritten ist, obwohl es nicht das bevölkerungsreichste der Region ist, ist Kasachstan. Dazu kommt, dass die kasachische Führung unter Präsident Nasarbajew eine multilateral ausgerichtete Außenpolitik betreibt, die erfolgreich eine Balance zwischen den großen Playern in der Region herzustellen versucht: Das sind in erster Linie Russland, China und die Vereinigten Staaten. Nasarbajew hat es geschafft, zu allen drei Staaten gute Beziehungen aufzubauen. Wenn man berücksichtigt, dass diese Staaten zum Teil sehr unterschiedliche Interessen in der Region verfolgen, ist das eine beachtliche Leistung. Das hat Kasachstan in eine Art Vorreiterrolle in Zentralasien gebracht, was nicht bedeutet, dass der Transformationsprozess jetzt schon abgeschlossen wäre. Er weist jedoch einige Merkmale auf, auf die wir in anderen zentralasiatischen Staaten bislang noch warten.

Frage: Wie schätzen Sie die bilateralen Beziehungen zwischen der EU, Deutschland und Kasachstan ein?

Erler: Ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Zentralasien von Seiten der EU war die Erarbeitung und Verabschiedung der EU-Zentralasien-Strategie im Jahr 2007. Sie ging auf die Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft zurück und wurde nach intensiven Beratungen von den 27 EU-Staaten gemeinsam verabschiedet. Auch die fünf zentralasiatischen Staaten haben dieses Angebot zur Kooperation aufgegriffen und mittlerweile befinden wir uns bereits in der Phase der konkreten Umsetzung der Strategie.

Aber man muss natürlich feststellen, dass es einige sehr spezifische Punkte zwischen Kasachstan und Deutschland gibt, die es in den Beziehungen zu den anderen EU-Staaten nicht gibt. Dazu gehören die sehr persönlichen Beziehungen durch die 800.000 Aussiedler, die inzwischen in der Bundesrepublik leben und den noch verbliebenen 300.000 Deutschstämmigen in Kasachstan. Das schafft einen lebendigen wechselseitigen Austausch. Und es gibt intensivere Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland als mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Es beträgt im Moment vom Volumen her etwa 5 Milliarden Euro. Das ist ungefähr ein Zehntel des Volumens, das Deutschland mit der Russischen Föderation unterhält. Aber die Wachstumsraten sind sehr hoch. Im Vordergrund steht dabei der Austausch von Energieträgern, aber trotzdem sehen wir sehr optimistisch der Entwicklung der bilateralen Beziehungen und insbesondere auch der Wirtschaftsbeziehungen entgegen.

Frage: Welches Interesse haben Deutschland und Kasachstan in wirtschaftlicher Hinsicht aneinander?

Erler: Die Exporte nach Deutschland beziehen sich insbesondere auf die Energieträger, während vor allen Dingen hoch qualitative Maschinenausrüstungen, aber auch Fahrzeuge die Hauptmasse der Exporte nach Kasachstan stellen.

Frage: Die Kasachstan-Deutschen bleiben ein Faktor bei den deutsch-kasachischen Beziehungen, auch noch nach 17 Jahren?

Erler: Ja, selbstverständlich. Sie spielen schon deshalb eine Rolle, weil 800.000 Deutsche, die früher in Kasachstan gelebt haben und heute in Deutschland leben, ein politischer Faktor sind. Es gibt einen deutsch-kasachischen Unternehmerverband. Das sind Leute, die sowohl sprachliche als auch hervorragende Landeskenntnisse mitbringen und daher die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bereichern.

Frage: Haben Sie schon einmal Leute getroffen, die als Übersiedler erfolgreich waren?

Erler: Eine erfolgreiche Integration produziert in der Regel keine Schlagzeilen. In Deutschland sind mittlerweile Hunderttausende Aussiedler erfolgreich integriert worden. Man darf jedoch nicht übersehen, dass es bei einigen mitunter Schwierigkeiten mit der Integration gibt. Sie leben weiter in ihrer vertrauten russischsprachigen Kultur und tun sich schwer, sich den neuen Lebensumständen anzupassen.

Insofern sind wir auch durchaus froh, dass die kasachische Seite ernsthafte Bemühungen unternimmt, den Exodus zu stoppen. Wir hoffen, dass noch verbliebenen Deutschen in Kasachstan eine Chance für eine gute Zukunft haben. Natürlich gibt es dafür auch unterstützende Programme von Seiten der Bundesregierung.

Frage: Es gibt ein Memorandum innerhalb der Zentralasien-Strategie, dass der energiepolitische Dialog verstärkt werden soll. Was ist damit gemeint?

Erler: Wir haben im Energiebereich die so genannte Baku-Initiative. Im Rahmen dieser Baku-Initiative gibt es schon seit einigen Jahren einen energiepolitischen Dialog. Das Interesse der EU ist konkret, nach einem eigenen Weg für die Energieressourcen aus dem kaspischen Raum zu suchen und diese durch die Schwarzmeer-Region nach Europa zu transportieren.

Wir setzen auf ein diversifiziertes Liefersystem, weil wir davon überzeugt sind, dass es das stabilste ist. In diesem Kontext gibt es Projekte, die bereits funktionieren, zum Beispiel die Baku–Tbilisi–Ceyhan–Pipeline für Öl. Kasachstan ist bisher das einzige zentralasiatische Land, das für diese Pipeline Energierohstoffe zur Verfügung stellt. Es gibt noch weitere Projektideen, wie die geplante Nabucco-Pipeline zum Beispiel. Was den Energiedialog angeht, stehen wir erst am Anfang einer Öffnung der zentralasiatischen Ressourcen für den Weltmarkt. Russland ist natürlich daran interessiert, seine Monopolstellung auf diesem Gebiet zu festigen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber ich denke, es ist sowohl für die zentralasiatischen Staaten wie für Europa wichtig, dass es neben den funktionierenden, sehr wichtigen Verbindungen über Russland auch noch weitere Energieverbindungen gibt.

Frage: Vor 10 Jahren war eine deutsche Delegation auf einer Energiekonferenz in Almaty. Projekte wie Baku–Ceyhan wurden erörtert. Danach störten etwas oder irgendwelche Kräfte dieses Projekt. Jetzt kommt Europa sehr langsam nach Zentralasien zurück, nach 10 Jahren. Warum hat das so lange gedauert?

Erler: Es hat lange gedauert, aber das kann man auch erklären. Europa war bis vor kurzer Zeit sehr stark mit dem Prozess der europäischen Erweiterungen beschäftigt. Im Mai 2004 kamen zehn neue Ländern in die EU, und zum 1. Januar 2007 noch die Länder Bulgarien und Rumänien.

Außerdem war die EU sehr stark mit der Frage der eigenen Struktur beschäftigt, also der Frage des Verfassungsprozesses, jetzt Lissabonner Vertrag genannt. Sie war damit beschäftigt, sich an diese Wachstumsprozesse anzupassen. Die weitere Nachbarschaft ist dabei vielleicht etwas in den Hintergrund geraten. Das hat sich inzwischen aber geändert.

Frage: Was war der Auslöser für die Zentralasien-Strategie?

Erler: Ich glaube nicht, dass es einen einzelnen Auslöser gab. Ich kann nur berichten, dass es verschiedene Argumente gab, sich stärker Zentralasien zuzuwenden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass diese Region eine zunehmende Bedeutung erlangt, die auch unsere Interessen unmittelbar berühren.

Es gibt die wachsende Bedeutung der SCO, der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, in der China und Russland eine wichtige Rolle spielen. Da konnte man ja schon einmal die Frage stellen: Wo bleiben eigentlich die Europäer?

Der zweite Komplex ist natürlich seit 2001/02 der Afghanistan-Konflikt und damit die wachsende Erkenntnis, dass die Stabilität in Zentralasien eine wichtige Rolle für die Lösung des Afghanistanproblems darstellt. Das fängt ja mit einfachen Transitrechten an.

Dann, dass die EU ein Interesse haben muss, dass auch in der »Nachbarschaft der Nachbarschaft« Stabilität und regionale Zusammenarbeit existieren, weil ein Konflikt dort, natürlich auch bis hin zu den Energiefragen, große Auswirkungen auf Europa haben könnte. Es ist also ein ganz konkretes Interesse an Sicherheit und Stabilität. Dies schließt selbstverständlich ein, dass wir die zentralasiatischen Länder darin bestärken, den Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Menschenrechte zum Durchbruch zu verhelfen. Auf Dauer wird es eine Stabilität ohne Einhaltung der genannten Prinzipien nicht geben können. Selbstverständlich kommen noch die Wirtschaftsinteressen und die Energiewirtschaftsinteressen hinzu.

Frage: Man hat den Eindruck, dass die Interessen der EU-Mitgliedstaaten nicht immer kohärent sind. Die französische Präsidentschaft schaut mehr in Richtung Mittelmeer und nach Afrika als in Richtung Zentralasien. Trifft das zu?

Erler: Von unserer Seite hat es erhebliche Anstrengungen gegeben, die Aktivitäten über unsere Präsidentschaft hinaus fortzusetzen, und das ist uns auch geglückt. Wir haben hierbei einen glücklichen Umstand genutzt: Wir haben einen Sonderbeauftragten der EU, den französischen Botschafter Pierre Morel, der auch das Programm mitgeprägt hat. Dadurch ist eine deutsch-französische Zusammenarbeit in der Frage Zentralasien entstanden. Natürlich haben wir auch sehr stark dafür geworben, dass mit der Zentralasien-Strategie eine nachhaltige Politik entsteht.

Frage: Welche Erfolge hat die Zentralasien-Strategie nach einem Jahr aufzuweisen?

Erler: Es wurden eine ganze Reihe von konkreten Schritten unternommen, die geeignet sind, das Vertrauen in Zentralasien zu stärken. Die EU-Kommission hat angefangen, in allem zentralasiatischen Staaten eigene Repräsentanzen zu eröffnen. Wir haben ferner damit begonnen, einen strukturierten Menschenrechtsdialog umzusetzen, zunächst mit Usbekistan, langfristig jedoch mit allen Staaten der Region. Daneben haben eine ganze Reihe von internationalen Konferenzen zu den so genannten Schwerpunkten oder Leuchtturmprojekten in Zentralasien schon stattgefunden oder sie stehen unmittelbar bevor. Es wurden vier solche Schwerpunkte definiert:

1. der Rechtsstaatsdialog;

2. Wissenschaft und Hochschule;

3. Kampf gegen das organisierte Verbrechen und Grenzkontrollen. Hier hat es schon Aktivitäten gegeben. Im Oktober findet auch hier noch eine größere Konferenz zur Frage der Grenzkontrollen und zum Kampf gegen den Drogenhandel statt. Das ist ein wichtiger Schritt.

Und dann gibt es das sehr spannende Thema, an dem sich auch Deutschland aktiv beteiligt, das aber unter der Koordinierung von Italien steht, das ist das Thema Wasser- und Energieverbund in Zentralasien. Es ist das klassische Thema der regionalen Zusammenarbeit. Hier hat es am 1. April dieses Jahres in Berlin eine internationale Konferenz unter dem Titel »Water unites« gegeben. Eine Folgekonferenz in der Region ist in Vorbereitung. Ich persönlich glaube, dass dieses Thema, also Wasser und Energie in Zentralasien, am besten geeignet ist, um unseren Grundgedanken der regionalen Zusammenarbeit voranzubringen.

Frage: Welches Interesse haben die Zentralasiaten, dass sie sich den Europäern zuwenden?

Erler: Die Initiative ging zunächst von der europäischen Seite aus, stieß aber auf der zentralasiatischen Seite auf sehr viel Entgegenkommen. Die zentralasiatischen Staaten wissen, dass sie auch auf Kooperation angewiesen sind, sowohl untereinander als auch mit Europa. Hinzu kommt, dass die EU in Zentralasien kein schlechtes Ansehen hat: Als Partner für Modernisierung, als Partner für eine Transformation, um Anschluss an die Weltmärkte zu gewinnen, ist die EU sehr gefragt.

Auch die historischen Erfahrungen mit den Europäern sind nicht belastet, und jetzt schon profitieren sie vom Know-how, von den Erfahrungen und von den Programmen der Europäer. Das ist also auch ein konkret materieller Vorteil, den man dort sieht. Außerdem gibt es mehr Stipendien, mehr Wissenschaftsaustausch, mehr Hochschulkontakte. Wir wissen, dass alle zentralasiatischen Staaten ein erhebliches »brain-drain-Problem« haben. Deswegen können klug aufgelegte Programme auch helfen, dass die Eliten nicht abwandern, sondern eine Perspektive im eigenen Land bekommen. Dafür gibt es die Bildungszusammenarbeit.

Frage: Es gibt die Deutsch-Kasachische Universität für Kasachstan. Das ist eine relativ kleine Universität, und nicht so viele Studenten studieren in dieser Universität. Wäre es besser, eine europäische Universität zu errichten, die ein Vorbild ist, wie in Kaliningrad?

Erler: Wir sind froh, dafür die DKU zu haben, die Deutsch-Kasachische Universität. Ihre Wirkung ist noch begrenzt, aber wir wollen sie ausbauen. Bei dem Besuch des Bundespräsidenten ist vorgesehen, ein Abkommen mit Kasachstan zu unterzeichnen, welches die DKU auf eine stabile Grundlage stellen soll und das die Ausbildungsgänge in der DKU erweitert.

Ich habe schon die Wasserwirtschaft erwähnt, aber auch andere. Es ist sinnvoll, nicht gleich mit Europäischen Universitäten anzufangen, aber mit europäischen Ausbildungsprogrammen, das schlägt die Strategie durchaus vor. Jetzt warten wir auf die konkreten Vorschläge der Kommission. Eine EU-Universität ist vielleicht noch etwas zu hoch gegriffen, aber EU-Ausbildungsgänge und Cluster, in denen EU-Fachleute ausgebildet werden, sind vorgesehen.

Frage: Werden die lokalen Machthaber zusammenarbeiten können?

Erler: Hier bin ich durchaus optimistisch, dass man etwas erreichen kann, denn der Problemdruck ist erheblich. Ich hatte eben schon Bereiche genannt. Ein Beispiel: Europäische Fachleute haben nachgerechnet und festgestellt, dass man die ganze Region einschließlich Afghanistan versorgen könnte, wenn man sämtliche hydrologischen Energiemöglichkeiten zur Stromproduktion in Tadschikistan nutzen würde. Das zeigt das Potenzial, das dort vorhanden ist. Durch die mangelnden Energielieferungen nach Kirgistan und nach Tadschikistan werden im Winter als Ersatz dann logischerweise die Wasserreservoire genutzt, um Energie zu erzeugen. Das wiederum führt dann zu Überschwemmungen in den Anrainerstaaten. Es ist ein absolutes Desaster. Im Sommer gibt es dann zu wenig Wasser, um die Kulturen zu bewässern. Hieran kann man sehen, dass der Bedarf an einer regionalen Zusammenarbeit gegeben ist. Deshalb glauben wir, dass die Idee eines Energie- und Wasserregimes in der ganzen Region für alle sehr attraktiv ist. Die ersten Reaktionen bestätigen das.

Deutschland hat eine sehr lange Tradition und entsprechende Erfahrung im Bereich der Wasserwirtschaft. Wir haben technologisch also durchaus etwas zu bieten. Auch bei der Nutzung von Wasser für Energie haben wir Erfahrung mit regionaler Zusammenarbeit. Und dazu kommt, dass das die Herausforderungen aller Länder überregional sind: Drogenhandel, organisierte Kriminalität. Man hat keine Chance, wenn man nicht regional zusammen arbeitet.

Man muss Grenzkontrollen schaffen, mit Technologie und mit guter Ausbildung, denn man muss Grenzen öffnen, aber gleichzeitig kontrollieren. Die Botschaft lautet: Wenn ihr ausländische Investitionen haben wollt, müsst ihr einen Binnenmarkt schaffen. Zentralasien zusammen hat über 55 Millionen Einwohner. Das ist schon eine interessante Marktgröße, da lohnt es sich dann schon, in einen solchen Markt zu investieren. Der Problemdruck auf der einen Seite, und das Erfahrungswissen, das die EU anbieten kann, passen gut zusammen.

Frage: Will die deutsche Wirtschaft auch im Energiebereich investieren?

Erler: Ja, natürlich, aber wenn es einen gemeinsamen Markt in Zentralasien gäbe, der wirklich off en und transparent ist, dann wäre das viel attraktiver. Unsere Stärken liegen in den Bereichen Infrastruktur, Telekommunikation, Anlagenbau, Eisenbahnbau bzw. –technik. Da ist Deutschland sehr stark. Also ich glaube, dass im Infrastrukturbereich der Hauptschwerpunkt von deutschen Auslandsinvestitionen und von zukünftigen Kooperationen stehen wird.

Frage: Wie sehen Sie das Thema Korruption?

Erler: Das ist nicht nur ein Thema für die Wirtschaft, das ist auch ein Thema für das ganze Prestige eines Landes. Kasachstan wird 2010 den Vorsitz der OSZE haben. Und damit verbinden sich natürlich sehr konkrete Erwartungen. Es wird erwartet, dass Kasachstan als Vorsitzender einer Gemeinschaft, die auch bestimmte Werte vertritt, diese auch im eigenen Land anwendet. Kasachstan ist sich bewusst, dass es auf den Gebieten Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und Entfaltungsmöglichkeiten der Opposition noch Reformbedarf hat. Es gibt konkrete Aussagen des Staatspräsidenten, Defizite in diesem Bereich entschlossen anzugehen. Die Umsetzung ist letztendlich das Entscheidende. Und wir werden alle Termine in der Zukunft nutzen, um hier genauer zu erfragen, wie der Fahrplan für diese Reformpolitik ist. Davon wird auch der Erfolg von Kasachstan bei der OSZE abhängen. Wir haben konkrete Pläne, wie wir Kasachstan auf dem Weg dorthin unterstützen können. Ich selbst werde während meines Aufenthaltes Anfang September in Kasachstan dazu konkrete Gespräche führen und auch darüber hinaus beratend zur Seite stehen. Wir haben eine positive Reaktion von der kasachischen Regierung drauf bekommen. Das heißt, wir werden versuchen, Kasachstan so gut es geht zu helfen, einen erfolgreichen Vorsitz in dieser wichtigen internationalen Institution vorzubereiten und durchzuführen.

Frage: Warum hat Deutschland Kasachstans Bewerbung um den OSZE-Vorsitz unterstützt?

Erler: Wir glauben, dass es eine große Chance für Kasachstan ist. Präsident Nasarbajew weiß sehr genau, dass dieses Privileg des Vorsitzes auch mit bestimmten Erwartungen verbunden ist, und er hat ja auch schon darauf reagiert. Aber es geht uns auch um die OSZE. Wir glauben, dass der Vorsitz von einem Land, das zu Nachfolgerepubliken der Sowjetunion gehört, auch eine Chance ist, die Zukunft der OSZE abzusichern, weil gerade in Moskau häufig kritisiert wird, dass man in der OSZE mit verschiedenen Standards arbeitet, und dass die OSZE eigentlich eine Kontrollinstitution für postsowjetische Republiken geworden sei. Das ist nicht unsere Auffassung.

Die starke Unterstützung für Kasachstan kann auch helfen, auf Dauer eine Art Balance innerhalb der OSZE zu schaff en. Es ist auch ein Eigeninteresse, weil ein kasachischer Vorsitz dabei helfen kann, die Legitimation der OSZE auf breitere Füße zu stellen.

Die Fragen stellten Prof. Mara Gubaildullina, Almaty/Hamburg und Dr. Birgit Wetzel, Hamburg