Erler: Der Druck aus Amerika wird bleiben

Außenamts-Staatsminister Erler (SPD) über US-Wünsche an Berlin und die deutsche Afghanistan-Skepsis. Interview im Tagesspiegel, 11. Februar 2008

Müller: Mit Spannung haben alle auf die Rede des US-Verteidigungsministers gewartet. Haben Sie bei Robert Gates neue Töne gehört?

Erler: Er war ganz offensichtlich bemüht, die bisherige Wirkung seines Briefs zu glätten. Er ist zwar nicht von seiner Analyse abgegangen, aber seine Rede hatte nichts von der scharfen Form seines Briefs. Er hat nicht einen Einzelnen an den Pranger gestellt. Es ist gut, dass er davon weg ist. Es war schon bemerkenswert, dass er indirekt auch etwas Positives über den deutschen Ansatz gesagt hat.

Müller: Am Wochenende gab es auch Irritationen über mögliche Pläne, mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. War das Nein der Minister eher ein „nicht jetzt"?

Erler: In der Bundesregierung besteht Einigkeit, dass wir im Rahmen des Bundestagsmandats bleiben und mit der schnellen Eingreiftruppe neue Aufgaben übernehmen. Wir gehen damit bis an die Obergrenze. Die Diskussion, dass unsere Arbeit im Norden weniger zählt als andere Beiträge, akzeptieren wir nicht. Es ist ein Gesamtkonzept, das im Vergleich zu anderen Ansätzen in Afghanistan positiv aufgenommen wird. Das schafft Vertrauen. Ich habe den Eindruck, dass unsere Minister nicht ohne Erfolg hier für unser Konzept geworben haben.

Müller: Heißt das, wenn andere sich das deutsche Konzept zu eigen machen, könnte Berlin doch mehr Soldaten schicken? Sagt die Kanzlerin das auf dem Gipfel in Bukarest?

Erler: Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass das Thema uns weiter begleiten wird. Natürlich wird der Druck aus Amerika bleiben, 3200 Soldaten zu ersetzen. Aber das ist dann eine Frage an die Nato. Dafür gibt es das Truppenstellerverfahren. Da gehört die Frage auch hin. Wir hatten in den letzten Tagen leider eine öffentliche Diskussion mit Zurufen und Briefen.

Müller: War das nicht auch hilfreich?

Erler: Es ist sicherlich dadurch gelungen, die Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft noch einmal wachzurütteln für die Probleme in Afghanistan. Aber es wäre nicht fair, sich nur auf die Frage zu konzentrieren, ob die Deutschen mehr machen müssen.

Müller: Die Amerikaner loben ja das deutsche Konzept, aber was ist mit dem Rest?

Erler: Ich denke, es ist deutlich geworden, dass das keine deutsche Frage ist, sondern eine der ganzen Allianz.

Müller: Kaufen die Deutschen bald Hubschrauber, um mehr beizutragen?

Erler: Ich möchte der Truppenstellerkonferenz nicht vorgreifen. Wir helfen in Notsituationen auch heute schon außerhalb der Nordregion. Was darüber hinausgeht, müsste erst von der Regierung und im Bundestag beschlossen werden. Das ist ein sicherlich schwieriger Prozess. Wir hatten noch nie eine so intensive Debatte im Bundestag über einen Auslandseinsatz wie im Herbst. In Deutschland kann die Regierung so etwas nicht mit einem Federstrich entscheiden. Sie muss auch die Frage der Mehrheitsfähigkeit im Auge haben, und das hat sie.

Müller: Haben Regierung und Parlament deutlich genug gemacht, warum deutsche Soldaten in Afghanistan sind?

Erler: Die Diskussion im Herbst hat die Öffentlichkeit erreicht. Aber leider muss man tatsächlich feststellen, dass sich an der grundsätzlichen Skepsis der deutschen Öffentlichkeit gegenüber dem gesamten deutschen Afghanistaneinsatz nichts geändert hat. Die Zustimmung ist weiter gering. Das müssen wir im Auge behalten. Und auch den Bundestagswahlkampf 2009.

Müller: Also läuft das nächste Mandat länger?

Erler: Ein Wettlauf im Wahlkampf würde niemandem guttun. Aber das geht nur im Konsens und wird kompliziert. Aber der Anfang ist gemacht, darüber zu reden.
Das Gespräch führte Ingrid Müller.

Gernot Erler (63) ist Staatsminister im Auswärtigen Amt. Zuvor war der SPD-Politiker aus Freiburg im Vorstand seiner Fraktion zuständig für Außen- und Sicherheitspolitik und Menschenrechte.