EU sollte unabhängiges Kosovo bald anerkennen

Erler im Interview mit Reuters, 9.Januar 2008

Von Markus Krah und Noah Barkin                                

Die Bundesregierung fürchtet ein gefährliches Vakuum, wenn die EU die im Februar erwartete Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht schnell anerkennt. Deutschland werbe in der EU für parallele Beschlüsse zur Anerkennung des Kosovo und zum Start des EU-Einsatzes in der Provinz, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, Reuters am Mittwoch in Berlin. Wenn die Anerkennung verzögert werde, drohten ein schlechter Start für die EU-Polizei.

Der SPD-Politiker sprach sich zudem dafür aus, die pro-europäischen Kräfte im serbischen Wahlkampf durch den schnellen Abschluss eines Abkommens mit der EU zu stärken. Erler kritisierte das Verhalten Russlands in der Kosovo-Frage.

"BEI VERZÖGERTER EU-REAKTION DROHT VAKUUM IN KOSOVO-POLITIK"

Die Unabhängigkeitserklärung des mehrheitlich von Albanern bewohnten Kosovo ist laut Erler bald nach der Präsidentenwahl in Serbien zu erwarten, die spätestens am 3. Februar entschieden wird. Die Entscheidung über den Status der Provinz soll erst danach fallen, damit das Thema nicht den serbischen Wahlkampf belastet und nationalistische Kräfte stärkt. "Aber dann muss mit einer baldigen Unabhängigkeitserklärung gerechnet werden", sagte Erler. "Deshalb gilt es für die EU, sich auf eine möglichst abgestimmte Reaktion vorzubereiten."

Ein schneller Start der EU-Mission zur Ablösung der Vereinten Nationen (UN) ist in der EU Konsens. Strittig ist dagegen, ob die EU-Staaten wie die USA das Kosovo schnell anerkennen oder damit zunächst warten.

Die EU sollte laut Erler bald einen Rahmenbeschluss treffen, der den Mitgliedern verschiedene Optionen öffnet. Eine Mehrheit dürfte das Kosovo dann anerkennen. Aus deutscher Sicht sollte der EU-Beschluss parallel zum Startschuss zum Polizeieinsatz fallen. Der enge zeitliche Zusammenhang beider Schritte wäre wesentlich weniger riskant als der Plan, erst später politisch zu reagieren, sagte er. "Wir sehen als Folge ein problematisches Vakuum." Die Regierung fürchtet, dass die Bevölkerung des Kosovo die EU-Mission ablehnt, wenn die EU die erhoffte Anerkennung verweigert. "

Ein positives Umfeld gibt es wohl nur, wenn man die politische Anerkennung und den Beginn des EU-Einsatzes eng zusammenhält."

"SIEG DER RADIKALEN IN SERBIEN WÄRE SCHWERER RÜCKSCHLAG"

Erler plädierte dafür, das EU-Abkommen mit Serbien zur Annäherung des Landes an Europa noch im Januar zu schließen. Mehrere EU-Staaten sehen dies skeptisch, weil sie die geforderte Kooperation Serbiens mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag nicht erfüllt sehen. "Deutschland stimmt seine Position derzeit mit den europäischen Partnern ab", sagte Erler. "Ich persönlich glaube, dass es für die serbische Wahl ein sehr wichtiges Signal wäre, wenn man den pro-europäischen Kräften um Präsident (Boris) Tadic ein solches Erfolgserlebnis verschaffen würde."

Wenn Serbien noch enger mit dem Tribunal kooperiere, sei das Abkommen möglich, ohne die Auflagen in Frage zu stellen. Ein Wahlsieg des radikalen Kandidaten Tomislav Nikolic wäre nach Erlers Meinung dagegen ein schwerer Rückschlag für Serbien. "Dann ist die Frage, ob es noch eine Mehrheit in Serbien für den Assoziationsprozess an die EU gibt."

Erler warnte Serbien davor, diesen Prozess als Reaktion auf die Anerkennung des Kosovo durch die EU zu stoppen. "Es wäre eine Katastrophe, wenn diese Drohung konkrete Politik würde." Serbien wird in seinem Widerstand gegen ein unabhängiges Kosovo von Russland unterstützt, das eine UN-Resolution zum Status der Provinz als Vetomacht verhindert. Erler sieht die russische Kosovo-Politik in einer Sackgasse. "Jetzt hat Russland nur noch sehr reduzierte Handlungsoptionen", sagte er. "Aber dieses Risikos muss sich die russische Führung bewusst gewesen sein."