Erler: Ich hoffe, unsere Sondierungen haben Erfolg

Interview mit der Passauer Neuen Presse, 28. Juli 2006 • Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), berichtet im PNP-Interview über die Bemühungen deutscher Erkundungsteams, die Bedingungen für einen Waffenstill- stand im Nahen Osten auszuloten.

Kein Ende im Nahost-Konflikt: Wie lässt sich ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah erreichen?

Erler: Die Nahostkonferenz in Rom war ein Schritt nach vorn. Es gibt jetzt mehr Konsens über einen raschen Waffenstillstand. Die internationale Hilfe wird intensiviert. Jetzt geht es um die Frage, welche Voraussetzungen und welches Mandat es für eine internationale Friedenstruppe geben muss, eine Sache des UN-Sicherheitsrats. Natürlich wurde die Konferenz von dem schrecklichen tödlichen Angriff auf den UN-Stützpunkt überschattet.

Wie kann man endlich erreichen, dass die Waffen ruhen?

Erler: Deutschland bemüht sich nach wie vor, einen politischen Rahmen für einen solchen Waffenstillstand auszuloten. Die Frage der entführten israelischen Soldaten spielt dabei eine Schlüsselrolle. Deshalb wäre hier ein diplomatischer Erfolg besonders wichtig. Deutschland hat drei Erkundungsteams nach Beirut, Damaskus und zu den Vereinten Nationen nach New York geschickt, um hier alle Möglichkeiten auszuloten. Wir vermitteln bisher nicht, wir sondieren nur.

In der Vergangenheit konnte die Bundesregierung bei Geiselnahmen in Nahost erfolgreich vermitteln.

Erler: Soweit sind wir leider noch nicht. Es gibt bisher noch keine direkte Vermittlerrolle. Wir genießen aber sowohl das Vertrauen der israelischen Seite wie das der arabischen. Ich hoffe, unsere Sondierungen haben Erfolg.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung denkt bereits laut über eine deutsche Beteiligung an einer Friedenstruppe nach. Muss Deutschland hier Verantwortung übernehmen?

Erler: In der Bundesregierung gibt es eine breite Unterstützung für den Vorschlag, eine Friedenstruppe im Krisengebiet einzusetzen. Solch ein Mandat müsste nicht nur robust sein, sondern weit mehr als militärische Aufgaben umfassen. Es ist viel zu früh, ohne Kenntnis des Mandats über eine mögliche deutsche Beteiligung zu sprechen. Wir sollten uns hier zurückhalten.

Was spricht gegen einen Einsatz der schnellen Eingreiftruppe der NATO?

Erler: Aus Sicht der Bundesregierung vor allem zwei Punkte: Die NATO-Eingreiftruppe ist auf kurzfristige Einsätze von bis zu dreißig Tagen ausgelegt. Gerade bei den arabischen Staaten wird die NATO immer noch mit den Vereinigten Staaten gleichgesetzt. Damit würde sie als parteiisch gelten. Das würde nicht zur Stabilisierung beitragen.

Israel spricht von 20 000 Soldaten für eine Friedenstruppe. Wäre dies realistisch?

Erler: Israel hat Erfahrungen mit der bisherigen UN-Truppe gemacht. Die 2000 Beobachter der Vereinten Nationen konnten nicht die Entwicklung zum jetzigen Konflikt verhindern. Jetzt muss es um eine umfangreiche Stabilisierungsmission und ein sehr robustes Mandat gehen. Es ist schwierig, solch eine Truppe in kurzer Zeit aufzustellen und einsatzfähig zu machen.

Die Lage für die Zivilbevölkerung und die Flüchtlinge ist dramatisch.

Erler: Hier muss dringend geholfen werden. Allein im Libanon gibt es mehr als 800 000 Flüchtlinge. In Syrien befinden sich davon 200 000. In Israel lebt inzwischen jeder Zehnte in Bunkern. Hier ist die internationale Gemeinschaft gefordert. Es fehlt nicht am Geld. Die andauernden Kämpfe erschweren die Hilfe. Auch deshalb brauchen wir einen Waffenstillstand.

Interview: Andreas Herholz