Erler: Abzug ist keine Option

Interview mit Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, Berliner Zeitung, 6. Juli 2007 • 

Berliner Zeitung: Die SPD steht vor einer Zerreißprobe wegen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, lehnt einen Ausstieg strikt ab. Herr Erler, wie kommt die SPD aus dieser Sache raus?

Gernot Erler: Ich bin stolz, dass sich die SPD als einzige Partei sichtbar auf die im Herbst anstehenden Entscheidungen vorbereitet und dabei in den Vordergrund stellt, was den Menschen in Afghanistan helfen kann. Wir haben einen Meinungsbildungsprozess, keine Zerreißprobe. Entschieden wird Anfang September.

Berliner Zeitung: Kann es sich Deutschland leisten, aus der Operation Enduring Freedom auszusteigen?

Gernot Erler: Es ist international üblich, dass Mandate zeitlich begrenzt sind, dass sie verändert werden und dass sie auch abgeschlossen werden. Wir sind durchaus in der Lage, Entscheidungen über Schwerpunktverlagerungen zu treffen. Wir haben das aber noch nicht konkretisiert.

Berliner Zeitung: Ihr Parteifreund, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hat davor gewarnt, dass ein Ende der deutschen Beteiligung am Anti-Terror-Kampf einen hohen politischen Preis zur Folge haben könnte.

Gernot Erler: Es gibt auf jeden Fall eine sehr große Erwartungshaltung unserer Verbündeten und Partner. Angesichts zahlreicher getöteter Soldaten wird auf jeden Staat genau geschaut, was er denn zum Gelingen des Gesamtprojekts beitragen will.

Berliner Zeitung: Wie können zivile Opfer in Afghanistan vermieden werden?

Die Nato hat dazu auf ihrem Gipfeltreffen in Riga im November 2006 Zielsetzungen vorgegeben. Militärische und zivile Aktionen sollen besser vernetzt werden. Das wird aber in den konkreten Operationen in Afghanistan noch nicht genügend beachtet.

Berliner Zeitung: Die Nato muss nachbessern?

Gernot Erler: Ich glaube, dass es da Handlungsbedarf gibt.

Berliner Zeitung: Die SPD bekommt Druck von der Linkspartei, die für einen Abzug eintritt. Umfragen sagen, dass 48 Prozent der potenziellen SPD-Wähler den Forderungen Lafontaines zustimmen. Wie gehen Sie damit um?

Gernot Erler: Der taktische Blick auf die Linke spielt für uns überhaupt keine Rolle. Wir stellen uns der Herausforderung, die in der Sache selbst liegt: Ein Scheitern der Weltgemeinschaft in Afghanistan ist nicht vorstellbar. Ein solches Scheitern würde zu keiner Form von Frieden führen, weil es eine Rückkehr des terroristischen Netzwerkes El Kaida zur Folge haben würde. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb kann es nur eine Frage geben: Welche Konzepte können zu einem Erfolg des internationalen Engagements in Afghanistan führen? Da sind militärische Mittel nur ein Teil des gesamten Spektrums. Es gibt viele Handlungsoptionen. Ausstieg ist keine.

Berliner Zeitung: Muss man nicht auch von der afghanischen Regierung mehr Engagement erwarten?

Gernot Erler: Zweifellos. Wir drängen auf Korrekturen, was die Verbesserung der Regierungsarbeit angeht, die Effizienz der Verwaltung, die Personalpolitik der Polizei oder die Würdigung von Aufbauleistungen.

Berliner Zeitung: Was ist Ihre persönliche Haltung zur Frage der Mandatsverlängerung?

Gernot Erler: Wir müssen darüber nachdenken, ob wir bestimmte Schwerpunkte anders setzen. Wobei ich noch einmal ausdrücklich wiederhole: Das kann nicht nur den militärischen Teil betreffen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir zu neuen Anstrengungen kommen müssen, um gemeinsam mit den Partnern und Verbündeten Erfolg zu erzielen.

Das Gespräch führten Damir Fras und Frank Herold.