Bundesregierung setzt auf diplomatische Lösung. Interview im RBB Inforadio, 13. Februar 2006 (Auszüge zu Nahost, Iran)

Bundesregierung setzt auf diplomatische Lösung

Inforadio: Was kann der deutsche Außenminister derzeit im Nahen Osten bewirken?

Gernot Erler: ...Er fährt in eine sehr aufgeregte Szenerie hinein. Es ist einmal der verschobene Antrittsbesuch nach Israel, und er wird sicher die Gelegenheit benutzen, um noch einmal die deutsche Position sehr deutlich zu machen. Gerade auch, was die Wahl von Hamas bei den palästinensischen Autonomiegebieten angeht, wird er noch mal die drei Forderungen gegenüber dem palästinensischen Präsidenten deutlich machen, die heißt, Anerkennung des Existenzrechtes Israels, Anerkennung auch der bisherigen Verpflichtung aus dem Nahost-Friedensvertrag und Verzicht auf Gewalt. Er wird dann sicher auch Verbündete suchen für eine Mäßigung in diesem Streit um die Karikaturen. Das wird dann den Weg nach Jordanien begleiten, wo er auch mit dem jordanischen König und dem Außenminister von Jordanien zusammenkommen wird.

Inforadio: Es gibt Regierungen, die Hamas nicht gänzlich vor der Tür stehen lassen wollen, Russland zum Beispiel nicht, Motto: Man muss Hamas eine Chance geben. Ist diese Haltung innerhalb der EU mehrheitsfähig?

Gernot Erler: Es gab bisher schon eine sehr klare Position, bei der auch viele andere Länder mitgemacht haben zu sagen, es müssen klare Forderungen gestellt werden und alles andere wird dann entschieden. Russland hat zunächst gewisse Irritationen ausgelöst, als es Hamas-Führer eingeladen hat und gesagt hat, man will direkt mit ihnen Kontakt aufnehmen, wo diese Forderung nicht mehr Voraussetzung war. Inzwischen hat allerdings die russische Politik klargestellt, dass sie zu diesen Teilforderungen stehen und dass diese drei Fragen auch mit den Hamas-Vertretern besprochen werden sollen.

Inforadio: Es gibt noch eine andere, vielleicht noch schwierigere Frage, die natürlich bei jedem Besuch im Nahen Osten ... über allem schwebt ..., wie umgehen mit Irans Präsidenten Ahmadinedschad...? Innerhalb der SPD und der Union gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen... Die Einen sagen, militärische Optionen müssten vom Tisch, wenn es um den Iran geht, die Anderen sagen, man muss sich alle Optionen offen halten. Welche Haltung haben Sie?

Gernot Erler: Die Bundesregierung hat hier eine ganz klare Haltung: Wir setzen auf eine diplomatische Lösung. Wir waren zusammen mit Frankreich und Großbritannien auch diejenigen, die hier eine Verhandlungslösung über eine Unterbrechung des Brennstoffkreislaufes versucht haben, um damit auch Sicherheit zu schaffen dagegen, irgendwelche Waffenprogramme mit dem Iran auszuhandeln. Diese Möglichkeit, hier eine diplomatische Lösung zu finden, sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Inforadio: Man sagt, die Kanzlerin möchte alle Optionen auf dem Tisch behalten.

Gernot Erler: Mir sind entsprechende Äußerungen der Kanzlerin nicht bekannt, und die Kanzlerin hat sich genau wie die anderen Kabinettsmitglieder bisher immer zu diesem europäischen Prozess der Verhandlungen bekannt. Das ist die offizielle Position der Bundesregierung.

Inforadio: Die britische Zeitung SUNDAY TELEGRAPH berichtete ..., amerikanische Militärstrategen würden bereits Angriffsziele im Iran sondieren, und das sei bereits mehr als eine Standardeinschätzung militärischer Eventualitäten... Wird der Spielraum für diplomatische Verhandlungen mit dem Iran deutlich geringer?

Gernot Erler: Nein, ich glaube, dass man solche Äußerungen, die auch sehr vage sind, dann vergleichen muss mit den offiziellen Verlautbarungen aus Washington, und da ist zum Beispiel auffällig gewesen, dass der amerikanische Präsident Bush den russischen Kompromissvorschlag, diese Wiederaufarbeitung und Anreicherung von Uran durch iranische Fachleute außerhalb des Iran, nämlich in Russland, unter Kontrolle vornehmen zu lassen, ausdrücklich gelobt hat und gesagt hat, dass es ein ermutigendes Zeichen und ein ermutigender Vorschlag ist. [...]