Gernot Erler zum Ukraine-Konflikt: Diplomatische Ann?herung
Interview im Deutschlandradio, 19. Januar 2016
Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung Gernot Erler setzt Hoffnung auf eine neue diplomatische Initiative in der Ostukraine. Er verwies dabei auf den neuen Moskauer Unterh?ndler f?r das Minsk-Abkommen und die n?tige Verfassungs?nderung in Kiew.
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Am Wochenende wurde es ja best?tigt, dass der Iran alle geforderten Schritte ?bernommen hat, die im Atomabkommen mit dem Westen festgelegt worden waren. Das war ein gro?er Erfolg auch f?r eine langj?hrige Diplomatie. Und mancher anderswo auf der Welt fragt sich nat?rlich, wie die Chancen f?r andere Konflikte stehen, deren Konfliktparteien noch immer miteinander verhakt sind, zum Beispiel in der Ukraine. Zwar wurde im vorigen Jahr ein Waffenstillstandsabkommen ?ber die Ostukraine ausgehandelt, unter Federf?hrung von Frankreich und Deutschland, aber noch immer ist der Osten bekanntlich nicht befriedet. Im Gegenteil, die Beobachter der OSZE beklagen sich, dass sie immer ?fter von den Separatisten gehindert, ja sogar angegriffen werden. Nun haben Frankreich und Deutschland einen neuen Anlauf genommen, einen diplomatischen, dieses Kn?uel zu entwirren. Gernot Erler ist der Koordinator der Bundesregierung f?r Russland, Zentralasien und die L?nder der ?stlichen Partnerschaft und jetzt am Telefon. Sch?nen guten Morgen, Herr Erler!
Gernot Erler: Guten Morgen, ich gr??e Sie!
von Billerbeck: Im Iran hat die Diplomatie letztlich geholfen. Hat die internationale Diplomatie nach dem Erfolg dieses Iran-Abkommens jetzt auch R?ckenwind und mehr Zuversicht, was die Ukraine betrifft?
Erler: Auf jeden Fall ist das ein ermutigendes Zeichen, und der deutsche Au?enminister Frank-Walter Steinmeier betont immer wieder, dass nach diesem Vorbild es auch m?glich sein sollte, voranzukommen bei der politischen L?sung des Ukraine-Konflikts, dem ja schon mehr als 9000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
von Billerbeck: Aber nun wurde im vergangenen Jahr das Minsker Friedensabkommen abgeschlossen, trotzdem ist es bis heute nicht richtig umgesetzt. Beide Seiten verletzen dieses Waffenstillstandsabkommen immer wieder. Welche Chancen sehen Sie da?
Erler: Es gibt auf jeden Fall eine neue diplomatische Initiative, um hier voranzukommen. Das ist verabredet worden schon am 30. Dezember in einer Telefonkonferenz auf dieser Ebene des sogenannten Normandie-Formates, und das wird jetzt fortgesetzt mit diplomatischen Bem?hungen, an denen die Normandie-Staaten teilnehmen. Und dahinter steckt, dass, wie Sie gesagt haben, tats?chlich die Umsetzung des Abkommens nicht in dem Zustand ist, den wir uns w?nschen. Und es stehen auch einige wichtige Termine hier an. Bis zum 2. Februar m?sste zum Beispiel diese Anpassung der ukrainischen Verfassung gelaufen sein. Da ist nicht mehr viel Zeit. Und im Augenblick ist es noch schwierig zu erkennen, wie die Zweidrittelmehrheit, die man da braucht f?r diese Verfassungs?nderung, zusammenkommt. Und wir bem?hen uns im Augenblick auch in direkten Gespr?chen mit Abgeordneten der ukrainischen Rada, daf?r zu werben, dass dieser wichtige Schritt getan wird. Und in dem Kontext gibt es eben verschiedene diplomatische Bem?hungen.
von Billerbeck: Das ist die eine Seite, was die Ukraine tun muss. Die andere Seite sind die russischen Separatisten. Wir haben immer wieder Klagen geh?rt von der OSZE-Beobachtermission, dass sie also nicht nur gehindert werden, sondern auch angegriffen werden. Mit wem reden Sie da eigentlich auf der Seite? Sie sprachen vom Normandie-Format, also Deutschland, Frankreich, Russland, die Ukraine. Und die Separatisten ? was sind da die Ansprechpartner? Russland nat?rlich?
Erler: Ja, ich meine, es gibt ja diese trilaterale Kontaktgruppe in Minsk mit vier Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen, und da ist sozusagen die Gelegenheit immer wieder da, sich gegenseitig auszutauschen und eben auch solche Probleme zu beraten, was die Umsetzung des Minsk-Abkommens angeht. Da spielt die OSZE also eine ganz entscheidende Rolle, und sie spielt eben auch die entscheidende Rolle bei der ?berpr?fung vor Ort, also mit dieser "Special Monitoring Mission", die immerhin aus 660 Beobachtern besteht, von denen 530 im Osten der Ukraine eingesetzt sind. Und das ist unsere einzige Quelle f?r Informationen dar?ber, inwieweit eigentlich dieses Minsker Abkommen umgesetzt wird oder nicht. Und leider ist es bis heute noch nicht gelungen, dass ?berall wirklich diese Beobachter Zutritt haben. Und zuletzt am 16. Januar hat es eben auch einen Beschuss von einem Konvoi hier gegeben. Das hei?t, diese Aufgabe ist gef?hrlich und ist nicht immer erfolgreich.
von Billerbeck: M?ssten die nicht auch dann am Ende doch von bewaffneten UN-Kr?ften begleitet werden, um ihre Arbeit durchf?hren zu k?nnen? Denn die OSZE-Beobachter sind ja unbewaffnet.
Erler: Traditionell sind sie unbewaffnet. Daran will auch keiner was ?ndern. Wir h?ren gelegentlich von ukrainischer Seite eine Wiederholung dieser Forderung, die uns schon bekannt ist, dass doch entweder eine UN-Mission oder eine EU-Mission hier f?r einen solchen Schutz sorgt, aber daf?r gibt es einfach keine Mehrheiten und auch keine Bereitschaft, sodass wir weiter auf die T?tigkeit der OSZE hier angewiesen sind.
von Billerbeck: Ein Land, das ja unbedingt in diesen Gespr?chen mitredet, ist ja Russland. Es steht ja, wie wir alle wissen, derzeit ?konomisch sehr unter Druck. Der ?lpreis, der sinkende, ist ein Grund, und auch die Sanktionen des Westens. Und diese Wirtschaftslage sp?rt nat?rlich die russische Bev?lkerung sehr. K?nnte es da sein, dass die russische F?hrung da eben gerade besonders aggressiv wird, um da die Probleme von au?en nach innen eben abzulenken? Und wenn wir lesen heute in der "Bild"-Zeitung, dass Putin jetzt also auch Geld in die Ostukraine schickt, dann fragt man sich, ist das eher der diplomatische Weg zur L?sung des Konfliktes oder eher das Gegenteil?
Erler: Sie haben vollkommen recht, dass auf jeden Fall dieses ganze Problem Ostukraine auch sehr teuer ist f?r die Russische F?deration. Aber was wir beobachten im Augenblick, ist eigentlich eher, dass die Bem?hungen auch Russlands sich intensiviert haben, was jetzt die Umsetzung von Minsk angeht. Vor Kurzem hat Putin einen vertrauten, aber auch recht renommierten Politiker, Boris Gryslow, zum neuen Russland-Unterh?ndler f?r diese Arbeit der trilateralen Kontaktgruppe benannt. Der war ehemaliger Duma-Pr?sident und hat sich inzwischen auch positiv ge?u?ert ?ber die Chancen der Umsetzung von Minsk. Also, es gibt hier Anzeichen, dass Russland interessiert ist. Und das h?ngt nat?rlich damit zusammen, dass die EU beschlossen hat, die Frage der Sanktionen gegen Russland zu koppeln an die Umsetzung des Minsk-Abkommens. Die Ma?nahmen, die Sanktionen sind ja noch mal verl?ngert worden bis Ende Juli dieses Jahres. Und in Moskau hofft man nat?rlich sehr, zeigen zu k?nnen, dass man alles versucht, um Minsk umzusetzen, damit dann die Sanktionen beendet werden k?nnen.
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