Russland-Beauftragter Erler: EU steht zu Assoziierungsabkommen

SWR Tagesgespräch, 24. April 2014

Baden-Baden: Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, SPD, hält nichts davon, dass die Ukraine ihre Anti-Terror-Einsätze gegen pro-russische Separatisten wieder aufnimmt. Wenn es die Ukraine auf ein Machtringen mit Russland ankommen lassen wolle, sei klar, wer gewinnen werde, sagte Erler im Südwestrundfunk (SWR).

Der SPD-Außenpolitiker forderte beide Konfliktparteien auf, die Genfer Vereinbarung von letzter Woche umzusetzen. Dazu gebe es keine Alternative. Es sei schwierig genug gewesen, Moskau, das sich lange geweigert habe, mit Vertretern der ukrainischen Interimsregierung zu sprechen, zu Verhandlungen in Genf zu bewegen.

Erler kündigte an, das deutsch-russische Gesprächsforum „Petersburger Dialog" heute zu nutzen, um die russische Seite zu fragen, warum es mit der Genfer Vereinbarung nicht vorangehe. Er rechne in Leipzig mit kontroversen und schwierigen Gesprächen, so der SPD-Politiker.

Außenexperte Erler verteidigte die Reise von Bundesaußenminister Steinmeier nach Moldau und Georgien, die beide demnächst Assoziierungsabkommen mit der EU vereinbaren wollen. Diese Länder seien in großer Sorge, dass Russland sie wegen der Abkommen unter Druck setzen könnte. Die EU und Deutschland stehen jedoch zu ihren Plänen, betonte Erler.

Wortlaut des Live-Gesprächs:

Theis: Eigentlich hätten heute die Bundeskanzlerin und ihr Kabinett mit der russischen Regierung zusammen tagen sollen, in Leipzig. Das tun sie einmal pro Jahr. Aber diesmal wird nichts daraus. Die deutsch-russischen Regierungskonsultationen sind abgesagt aus Protest gegen das russische Verhalten in der Ukraine-Krise. Die begleitenden Gespräche beim sogenannten Petersburger Dialog, die finden statt unter dem Motto „Dialog ist gelebte Krisenbewältigung". Herr Erler: was hilft reden, wenn die Russen bewaffnete Separatisten schicken?

Erler: Na, also erst einmal wollen wir natürlich ein Signal setzen, dass eben nicht überall die Plattformen für Gespräche, für den Dialog abgebrochen werden. Und wir hatten schon ein inhaltliches Gespräch bei unserem letzten Treffen der Lenkungsausschüsse, was sehr kontrovers und schwierig war. Ja, und natürlich werde ich zum Beispiel die Gelegenheit benutzen, um die russische Seite zu fragen, warum geht es nicht voran mit der Umsetzung der Genfer Ergebnisse vom letzten Donnerstag, wo ja zum ersten Mal Ukrainer und Russen an einem Tisch saßen und wo erstaunlicherweise auch ein vernünftiges Ergebnis heraus kam, nämlich diese Vereinbarung, deeskalierend jetzt zu wirken, vor allen Dingen auch auf die Separatisten in der Ost-Ukraine, aber überhaupt alle bewaffneten Milizen zu entwaffnen und auch die Gebäude freizumachen. Das Gegenteil ist im Augenblick der Fall in der Ost-Ukraine. Und das wird ein schwieriges Thema in unserem Gespräch werden.

Theis: Wie Sie sagen, die Genfer Vereinbarung ist schwierig, sie wird nicht umgesetzt. Jede Seite konnte sie so interpretieren wie es ihr passte. Brauchen wir nicht eine Alternative?

Erler: Wir haben keine. Wir haben lange gekämpft, um überhaupt eine solche Kontaktgruppe zusammen zu kriegen wie zwischen Ukrainern, Russen und dann eben der EU und den Vereinigten Staaten. Lange Zeit hat Moskau sich geweigert, überhaupt mit Vertretern der ukrainischen Interimsregierung zu sprechen, weil sie gesagt haben, die sind nicht legitim. Und deswegen wird sich jetzt alles darauf konzentrieren, doch immer noch zu versuchen, beide Seiten dazu zu bringen, auch diese Vereinbarung einzuhalten, denn da gibt es auch durchaus Forderungen, die wir an die ukrainische Seite stellen müssen.
Theis: Der ukrainische Staatschef Turtschinow, der will neue Anti-Terror-Einsätze. Haben Sie denn dafür Verständnis angesichts der Lage?

Erler: Ich glaube nicht, dass das wirklich dazu beitragen wird, dass Genf vorankommt, denn was heißt denn Anti-Terror-Einsätze? Das heißt militärische Konfrontation vor Ort. Und das wird wahrscheinlich sich nicht positiv dann auswirken auf die Umsetzung der Genfer Ergebnisse. Aber das ist eine Entscheidung der ukrainischen Regierung, die natürlich im Prinzip recht hat, wenn sie versucht, das Machtmonopol des Staates wiederherzustellen. Die Frage ist nur, ob die Mittel, die man gewählt hat dafür, die richtigen sind.

Theis: Jetzt nehmen Sie mal diesen Vorfall von gestern Abend. Da ist über der ostukrainischen Stadt Slawjansk ein ukrainisches Flugzeug beschossen worden. Es konnte notlanden. Slawjansk wird ja von pro-russischen Truppen kontrolliert. Wie sollte denn die ukrainische Regierung Ihrer Meinung nach auf so einen Vorfall reagieren?

Erler: Ich weiß nicht, ob im Augenblick es weiter hilft, wenn man auf einzelne Vorgänge reagiert. Wir haben eine Verschärfung der Situation, das ist gar keine Frage. Slawjansk steht also als Symbol auch dafür, für diese Verschärfung der Situation, weil gerade dort wir besonders aggressive Separatisten haben. Also, nach meiner Vorstellung, die vielleicht ein bisschen naiv klingt, wäre es jetzt am besten, die andere Seite dadurch in Bedrängnis zu bringen, dass man Schritte zur Umsetzung der Genfer Vereinbarungen macht. Ich meine, wenn wir eine Zuspitzung im Kräftemessen haben, dann weiß ich schon, wie das ausgeht. Das sind auf jeden Fall Putin und da sind auf jeden Fall die militärischen Kräfte stärker auf der russischen Seite. Also, wenn wir es da auf ein Machtringen ankommen lassen, dann weiß ich schon, wer der Gewinner sein wird.

Theis: Der Bundesaußenminister hält sich heute und morgen in Moldau und Georgien auf. Glauben Sie nicht, es wird die Stimmung noch mehr anheizen, wenn Deutschland und die EU sich jetzt demonstrativ mit russischen Nachbarländern gegen Russland verbünden?

Erler: Der Hintergrund ist ja, dass in beiden Ländern auch ein Assoziationsabkommen mit der EU vorbereitet und fertig ist, das noch im Juni unterzeichnet werden soll.

Theis: Wohin das führt, haben wir ja gesehen am Beispiel Ukraine.

Erler: Ja, aber ich meine, diese beiden Länder sind natürlich in großer Sorge, weil sie auch Druck ausgesetzt sind von Seiten Russlands, dass das unter Umständen nicht so funktioniert, wie sie sich das gewünscht haben und wie sie das jahrelang vorbereitet haben. Und insofern ist das ein klares Zeichen, dass die EU zu ihren Plänen und zu ihren Abkommen steht und dass sie die Länder auch unterstützt, die tatsächlich unterzeichnen wollen. Und das bei Moldova als auch bei Georgien der Fall.

- Ende Wortlaut -


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