SPD-Außenpolitiker Erler zum Beginn der EU-Ausbildungsmission in Mali

Interview im SWR 2 Tagesgespräch, 2. April 2013

Geissler: Die Europäische Union beginnt heute wie geplant ihre Ausbildungsmission in Mali. Auch Soldaten der Bundeswehr sollen mit dazu beitragen, dass die westafrikanischen Streitkräfte so gut wie möglich auf eigenen Füßen stehen können im Konflikt mit den Islamisten. Wie lange denken Sie wird das dauern, bis die Malier keine europäischen Soldaten mehr brauchen zur Unterstützung?

Erler: Also ich befürchte, dass das länger dauert als bisher vorgesehen. Dafür gibt es mehrere Anzeichen. Einmal hat ja Frankreich schon mehrfach angekündigt, seine Soldaten, die seit dem 11. Januar vor Ort sind, wieder zurückzuziehen. Bisher ist da nichts erfolgt, beziehungsweise es ist kein klares Datum da, wann eigentlich der Rückzug vollzogen werden soll. Und ein zweiter Hinweis kommt von den Vereinten Nationen. Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, spricht jetzt von 11.200 Mann Friedenstruppen der UN, die gebraucht werden könnten vor Ort, dazu 1.440 Polizisten. Und dann spricht er von einer parallelen Einheit für den Kampf gegen die Islamisten im Norden des Landes, also Kampftruppen, wo er sich europäische Truppen - wahrscheinlich auf der Basis von französischen Einheiten - vorstellt. Das klingt ja nicht so, als ob der Job dort vor Ort in Mali bald erledigt werden könnte.

Geissler: Zwei internationale Truppen schlägt er vor, UNO-Generalsekretär Ban. Für wie sinnvoll hielten Sie so eine Trennung?

Erler: Dahinter steckt im Grunde genommen eine Arbeitsteilungsvorstellung, nämlich dass eben vor allen Dingen von afrikanischen Ländern gestellte Truppenteile zur Absicherung des Geländes, also in den Städten, stationiert werden sollen, die auf diese Weise gegen Übergriffe gesichert werden sollen. Dass aber der aktive Teil der Bekämpfung - zum Beispiel in den nördlichen Grenzregionen, die bergig sind - gegen noch immer vorhandene islamistische Einheiten doch von geschulten Kampftruppen westlicher Provenienz getragen werden soll.

Geissler: Im Kongo sehen wir aber doch im Moment gerade, dass die UNO mit Rückendeckung des Sicherheitsrats eine durchaus aktiv auch gegen Rebellen kämpfende Truppe unter dem eigenen UNO-Dach aufstellen kann. Ist das als Blaupause für Mali ungeeignet aus Ihrer Sicht?

Erler: Also offenbar sieht das der Generalsekretär der Vereinten Nationen so. Sonst hätte er diese Dreiteilung der Friedenstruppen nicht vorgeschlagen. Und wir wissen ja, dass die Kämpfe weiter gehen, gerade in der letzten Woche wieder Nachrichten eben aus Timbuktu von Selbstmordattentätern, von Überrennen von Posten und anschließend wieder Auseinandersetzungen militärischer Art mit Vertretern von islamistischen Rebellengruppen. Das heißt, die Kämpfe gehen weiter. Und das ist natürlich dann der schlechte Zeitpunkt, um zu sagen, wir ziehen da ab oder überlassen das - also etwa aus der Sicht der Franzosen - den AFISMA-Truppen. Das ist diese afrikanisch geführte Mission, wo schon 7.700 Soldaten vorgesehen sind, 80 Prozent verlegt. Aber anscheinend nützt das nicht so viel wie erwartet, eben diese afrikanischen Soldaten dahin zu verlegen.

Geissler: In den vergangenen Wochen, seit der französischen Intervention, ist ja zumindest öffentlich wenig an Informationen geflossen über die Kämpfe und die Lage dort. Wenn überhaupt, dann Erfolgsmeldungen, gerade aus Timbuktu. Und jetzt sehen wir, dass das keineswegs so ist, dass dort die Islamisten verschwunden sind. Sie als Außenpolitiker und Bundestagsabgeordneter, fühlen Sie sich eigentlich hinreichend informiert über diesen Kriegsverlauf in Mali, im Norden auch?

Erler: Wir haben schon gute Informationen über die Situation vor Ort. Vor allen Dingen von Personen, die etwa über die politischen Stiftungen schon länger in der Region tätig sind und sich dort auskennen. Aber eigentlich kommt das Ganze nicht unerwartet, weil diese schnellen Erfolgsmeldungen, die erinnern einen ja auch an andere Schauplätze, von Irak bis Afghanistan oder Somalia. Und es ist eigentlich immer dasselbe. Ich meine, man kann natürlich angreifende Rebellen anhalten durch Zurückdrängen, aber eben nur Zurückdrängen. Die können sich absetzen über die Grenze in Nachbarländer und können sich neu formieren. Sie können dann ihre Taktik umstellen auf Attacken eher terroristischer Art, Selbstmordattentate und so weiter, und dann sich aussuchen, an welcher Schwachstelle sie wieder angreifen. Das ist eigentlich eine Erfahrung, die sich jetzt einmal wieder bestätigt, dass diese asymmetrische Kriegsführung, wie man das nennt, dann die Antwort ist auf Erfolge im Kampf gegen terroristische Gruppierungen.

Geissler: Sie haben schon gesagt, Frankreich will seine Interventionstruppe verkleinern. Kommt auf die Bundeswehr zu, einspringen zu müssen, wenn es militärisch zwingend wird?

Erler: Bisher ist das nicht abzusehen. Die Bundeswehr hat einen klar umrissenen Auftrag eben mit diesen zwei Aufgaben. Einmal dieser Pionierausbildung und der Stellung dieses Lazarettes da in Koulikoro, also diesem Camp zur Ausbildung von malischen Soldaten. Und dann eben mit dieser Unterstützung von Lufttransport und Luftbetankung im Rahmen von AFISMA, dieser afrikanischen Mission zur Unterstützung eben auch der Franzosen hierbei. Das ist bisher eigentlich unbestritten, dass das die Aufgaben der Bundeswehr sind.

Geissler: Aber Sie schließen nun, wenn ich Sie richtig verstehe, einen Einsatz definitiv nicht aus?

Erler: Nein, wir können gar nichts ausschließen, weil wir nicht wissen, wie es weiter geht. Es zeigt sich, dass die Hoffnung, dass das eine begrenzte Mission ist, die dann auch irgendwann zu einem Erfolg führt und definitiv in die Hände der afrikanischen Regionalorganisation Ecowas gegeben wird - das scheint sich hinauszuzögern, was eben aber auch nicht ganz unerwartet kommt.

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