Erler: Wir sind konfrontiert mit einem Meinungswandel der Bundesregierung

Interview ARTE Journal, 14. Januar 2013.

Für Gernot Erler, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, ist eine deutsche Unterstützung der Franzosen in Mali denkbar. Er kritisiert den Meinungswandel der Bundesregierung in dieser Frage, doch auch für die SPD kommt ein Kampfeinsatz nicht in Frage. Wohl aber logistische Hilfe und Unterstützung im humanitären und medizinischen Bereich.

 

Beate BADER für ARTE Journal: Herr Erler, Frankreich hat im strategischen Alleingang beschlossen, in Mali einzugreifen. Für Bundesverteidigungsminister de Maizière eine richtige Entscheidung, schließt sich die SPD dem an?

Gernot Erler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD: "Frankreich ist von einem Land um Hilfe gebeten worden, das in Not ist, was ohne eine Hilfe von Außen vielleicht nicht länger existieren könnte, weil es eben konfrontiert ist mit militärisch starken Rebellen und Dschihadisten. Insofern ist dieser Hilferuf, in Verbindung mit einer UN-Aufforderung, zu helfen, eine ausreichende Grundlage, um eine solche Mission durchzuführen."

ARTE Journal: Außenminister Guido Westerwelle sagte Frankreich heute Nachmittag Unterstützung bei dem Einsatz in Mali zu, als Beispiele nannte er neben logistischer Hilfe auch Unterstützung im humanitären oder medizinischen Bereich. Ist das auch im Sinn der SPD?

Gernot Erler: "Wir sind konfrontiert mit einem Meinungswandel der Bundesregierung. Bisher hat Herr Westerwelle immer nur von der EU-Ausbildungsmission (für die malischen Streitkräfte) gesprochen. Jetzt aber wandelt sich die Position der Bundesregierung ganz offensichtlich, und man schließt auch nicht mehr aus, eine logistische oder auch sanitätsdienstliche Unterstützung der französischen Mission anzubieten, beziehungsweise positiv zu antworten, wenn man gefragt wird. Wir glauben, dass wir eine Gemeinsamkeit mit der Bundesregierung haben, und zwar, dass es nicht um Kampfeinsätze geht, und dass, wenn bestimmte Fragen beantwortet werden können - nach konkreten Einzelheiten und nach dem politischen Kontext dieser ganzen Mission - dass wir da durchaus offen sind auch für eine solche Form der Unterstützung."

ARTE Journal: Was brauchen Sie also ganz konkret, um einer solchen Unterstützung zuzustimmen?

Gernot Erler: "Wir müssen ganz genau wissen, wie viele Kräfte eingesetzt werden sollen, wo sie eingesetzt werden, in welchem Kontext, wer den Oberbefehl hat, wie die internationale rechtliche Grundlage dafür ist. Dazu erwarten wir heute Abend noch eine Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die zweite innerhalb einer Woche. Am Donnerstag hat es da ja schon die Entscheidung für eine Unterstützung von Mali gegeben, und sogar einen Aufruf. Wir vermuten, dass das heute Abend noch verstärkt wird. Und dann haben wir die Grundlagen, die wir für eine Entscheidung brauchen. Und ich glaube, dass wir da zu einer gemeinsamen Position kommen können."

ARTE Journal: Das heißt, prinzipiell könnte es jetzt relativ schnell gehen?

Gernot Erler: "Es könnte relativ schnell gehen. Natürlich kein Kampfeinsatz, aber eben logistische Unterstützung. In einem politischen Kontext, wo man weiß, was eigentlich die politischen Ziele sind, und wie das auch begleitet werden soll, mit Diplomatie und Politik. Denn unsere Erfahrung ist eben, dass ein rein militärisches Eingreifen noch nie irgendwo ein Problem gelöst hat, und deswegen schauen wir sehr stark auf die politische Einbettung einer solchen Mission, auch wenn es sich nur um logistische oder sanitätsdienstliche Hilfe handelt."

ARTE Journal: Sie sind sich einig mit der Bundesregierung, ein Kampfeinsatz der Bundeswehr kommt für Sie nicht in Frage. Warum?

Gernot Erler: "Ich meine auch deswegen, weil die Idee ja ist, afrikanische Truppen einzusetzen. Man spricht ja von 3000 bis 3500 verschiedenen afrikanischen Einheiten, die unter der Leitung von ECOWAS, der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, dort zum Einsatz kommen sollen. Alle unsere Erfahrungen sagen, dass das natürlich immer die wesentlich bessere Lösung ist. Jetzt nicht im militärischen Sinne, sondern im politischen Sinne: dass es eine afrikanische Unterstützung für Mali gibt. Was nicht ausschließt, dass eben zum Beispiel die Franzosen in dieser Notsituation hier geholfen haben. Aber insgesamt besteht im Augenblick auch gar keine Forderung oder Erwartung, dass hier westliche Kampftruppen eingesetzt werden."

ARTE Journal: Und die geplante EU-Ausbildungsmission für die malischen Streitkräfte, ist die jetzt unter den Tisch gefallen?

Gernot Erler: "Nein, den Eindruck habe ich nicht. Vor allen Dingen, weil ich glaube, dass es ja auch langfristig auf jeden Fall gut ausgebildete malische Truppen geben muss. Denn selbst wenn es jetzt gelingt, die Rebellen erst Mal in den Norden zurückzutreiben, oder sie auch dort zu schwächen, dann wird man immer noch starke malische Kräfte brauchen, um auf Dauer den Norden wieder als Teil Malis zu kontrollieren. Insofern glaube ich eher, dass eine Beschleunigung dieses Prozesses ansteht, denn der hatte sich ja viele Monate Zeit gelassen. Was die UN da zusammen mit ECOWAS tun wollte, das sollte ja erst bis zum Herbst dieses Jahres richtig anlaufen. Ich glaube, da muss man sich ernsthaft Gedanken machen, ob man das nicht beschleunigen kann."