Moskau muss Druck auf Syrien erhöhen
Zur Zuspitzung der innenpolitischen Situation in Syrien und der Rolle Russlands in diesem Konflikt erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:
Die Lage in Syrien spitzt sich von Tag zu Tag zu. Bereits jetzt sind über 6.000 Menschen den Protesten gegen das Assad-Regime zum Opfer gefallen, das zusehends brutaler und rücksichtsloser agiert.
Vielleicht ist der jetzt von Marokko in den VN-Sicherheitsrat eingebrachte arabisch-europäische Antrag die letzte Chance, ein weiteres Abgleiten in einen noch blutigeren Bürgerkrieg abzuwenden. In dieser Situation kommt Russland eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der völlig verfahrenen Situation zu.
Assads Weigerung, sich jedem substanziellen Zugeständnis in Richtung Opposition zu verweigern, baute bislang auch auf der Gewissheit, dass von Seiten des VN-Sicherheitsrats aufgrund des angekündigten russischen Vetos keine Gefahr für sein Regime droht.
Doch damit verschlimmert sich die Lage zusehends. Denn die Opposition gibt sich längst nicht mehr mit friedlichem Protest zufrieden, sondern greift verstärkt zu Mitteln des bewaffneten Kampfes. Es zeichnet sich eine Eskalationsspirale ab, die am Ende Tausende weiterer Menschenleben fordern wird, bis das alte Regime am Ende selbst Opfer eines dann kaum noch zu bändigenden Rachefeldzugs zu werden droht.
Der jetzt vorliegende Antrag dürfte die letzte Chance für Assad und seine Anhänger sein, im Rahmen eines Übergangsprozesses einen gesichtswahrenden Ausweg aus der festgefahrenen Situation zu wählen. Die Arabische Liga beweist damit erneut, dass sie sich immer mehr zu einem ernst zu nehmenden politischen Akteur entwickelt hat.
Noch spricht nichts dafür, dass Assad sich darauf einlässt. Erst wenn Moskau seine Rolle als Schutzpatron von Damaskus aufgibt und ernsthaft an einer gemeinsamen Resolution des VN-Sicherheitsrats mitwirkt, dürften Assad und seinen Helfern bewusst werden, dass die Zeit des Taktierens endgültig vorbei ist.
Die Einladung an Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition zu informellen Gesprächen nach Moskau deutet darauf hin, dass Russland bereit ist, sich stärker als bislang in diesem Konflikt zu engagieren. Doch das allein reicht noch nicht aus. Nur eine einmütige und klare Resolution des VN-Sicherheitsrats würde zum Ausdruck bringen, dass das Blutvergießen in Syrien keine innere Angelegenheit von Damaskus mehr ist, sondern eine der gesamten Völkergemeinschaft.
31. Januar 2012