Presseerklärung vom 7. Oktober 2005

Melilla zeigt das Versagen europäischer Afrika-Politik

Zu den Flüchtlingsdramen in den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika erklärt der Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler:

Wer in den letzten Tagen die Fernsehnachrichten aus Melilla und Ceuta gesehen hat, fühlte sich an den etwas reißerischen Film erinnert, der vor ein paar Jahren einen "großen Marsch" der armen afrikanischen Massen gen Europa thematisierte. Dieser Film wurde damals überwiegend als unseriöse Panikmache abgetan. Fakt aber ist, dass aus den immer mehr verarmenden schwarzafrikanischen Ländern eine schnell steigende Zahl von Menschen keinen anderen Ausweg mehr sieht, als in Europa ihr Glück zu suchen. Wie groß der Leidensdruck ist, zeigt die Tatsache, dass diese Menschen größte Strapazen auf sich nehmen, um auf teilweise jahrelangen Wanderungen durch die Sahara oder auf lebensgefährlichen Schiffspassagen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Wieder einmal zeigt sich, dass man internationale Probleme zwar zeitweise verdrängen, aber auf Dauer nicht ungelöst lassen kann. Das Problem der illegalen Zuwanderung afrikanischer Menschen nach Europa gibt es nicht erst seit gestern, viel zu lange hat Europa sich aber darum herumgedrückt, wirkliche Abhilfe zu schaffen. Was nun angesichts der erschreckenden Fernsehbilder als Notmaßnahmen versucht wird, ist jedoch nichts anderes als ein kaum taugliches Kurieren an den Symptomen des Problems. Das massenweise Abschieben der Flüchtlinge von Spanien nach Marokko, von dort nach Algerien und von dort weiter nach Süden wird den Traum vieler Afrikaner vom Paradies Europa nicht zerstören können. Keine der Maßnahmen, die Spanien und Marokko jetzt hektisch ergreifen, werden diesen Flüchtlingsstrom nachhaltig stoppen können. Und wenn die EU nun 40 Millionen Euro zur Verfügung stellt, um die Zäune um die spanischen Exklaven zu verstärken, kann dies nur als ein Eingeständnis der eigenen Konzeptionslosigkeit gewertet werden.

Sowohl das unmenschliche Zurückschicken in die Hoffnungslosigkeit als auch die Verstärkung der "Festung Europa" werden der Gesamtproblematik nicht gerecht, die nichts anderes darstellt als der sichtbare Ausdruck der Ungerechtigkeit zwischen Nord und Süd, einem der Kernprobleme der Welt. An diesem konkreten Problem zeigt sich, dass die hehren Versprechungen der Völkergemeinschaft auf den vielen Entwicklungskonferenzen, die Armut in der Dritten Welt bekämpfen zu wollen, bisher viel zu wenig bewirkt haben. Was Not tut, sind schnelle und effiziente internationale Anstrengungen, das Armenhaus Afrika endlich zu sanieren. Bei allen eigenen Problemen, die wir bei uns in Deutschland zu lösen haben, wird für die neue Bundesregierung hier eine wichtige Aufgabe ihrer künftigen Entwicklungspolitik liegen.

7. Oktober 2005