Zentralasienstrategie
91. Sitzung des Deutschen Bundestages, 29. März 2007
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die EU hat gestern beim Treffen der EU-Außenminister-Troika mit den fünf zentralasiatischen Staaten in Astana einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Kooperation mit Zentralasien und damit zur Ausarbeitung einer EU-Zentralasien-Strategie getan.
Wie Sie wissen, hat der Europäische Rat im Dezember 2006 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beauftragt, bis zum Juni dieses Jahres Leitlinien für eine Zusammenarbeit der EU mit Zentralasien vorzulegen. Bei der gestrigen Aussprache in der kasachischen Hauptstadt wurde erneut deutlich, dass dies auch auf großes Interesse und Unterstützung in Zentralasien selber stößt.
Dieser Aspekt ist der Bundesregierung besonders wichtig. Die EU-Zentralasien- Strategie soll nicht über die Köpfe der Staaten hinweg formuliert werden. Gleichwohl muss die EU darauf achten, den Willen der zentralasiatischen Staaten zu bilateraler Kooperation mit der EU auch in Ansätze zum Ausbau der regionalen Zusammenarbeit umzumünzen. Es geht darum, Zentralasien in eine vertiefte Partnerschaft mit der EU einzubinden. Unser Ziel ist der Aufbau stabiler, offener und gerechter Gesellschaften auf der Basis anerkannter internationaler Werte und Normen.
Deshalb wird die EU den Bereichen gute Regierungsführung, Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokratisierung wie auch dem Bildungs- und Ausbildungsbereich besondere Bedeutung beimessen. Sie ist bereit, ihre Erfahrungen und Kenntnisse in diesem Bereich in Zentralasien einzubringen.
Dazu gehört auch verstärkte Zusammenarbeit bei globalisierten Herausforderungen wie dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen und den internationalen Terrorismus sowie Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. Hier wird die Etablierung moderner, offener und gleichzeitig sicherer Grenzen in Zentralasien ein zentrales Anliegen der EU mit großer wirtschaftlicher Bedeutung sein.
Auf dieser Grundlage haben wir im Gespräch mit den zentralasiatischen Staaten folgende Bereiche identifiziert, in denen wir besonders großes Potenzial für eine intensivere Zusammenarbeit sehen: erstens gute Regierungsführung, Rechtsstaat und Menschenrechte, zweitens wirtschaftliche Entwicklung, Freihandel und Investitionen, drittens Bildung und Ausbildung, viertens Grenzmanagement, Kampf gegen die organisierte Kriminalität, internationalen Terrorismus, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel und fünftens Energie. Auf besonderes Interesse der zentralasiatischen Staaten würde eine Bildungs- und Ausbildungsinitiative der EU für Zentralasien stoßen. Sie würde der jungen Generation neue Perspektiven bieten.
Im Bereich Menschenrechte zeichnet sich ebenfalls eine vertiefte Zusammenarbeit ab. Die EU beabsichtigt, mit jedem der zentralasiatischen Staaten einen regelmäßigen, strukturierten und ergebnisorientierten Menschenrechtsdialog einzurichten. Anderen Bereichen wie der Unterstützung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung in Zentralasien, Fragen des Grenzmanagements und der Energie- und Umweltkooperation wird die EU auf der Grundlage bestehender EU-Programme künftig mehr Aufmerksamkeit widmen.
Neben mehr Geberkoordinierung wollen wir die Zusammenarbeit mit der OSZE und anderen multilateralen Organisationen und Foren wie den IFIs intensivieren. Dazu gehört unter anderem auch die Shanghai Organisation. Durch die Stärkung dieser Strukturen wollen wir regionale Kooperation in Zentralasien fördern.
Dies alles geschieht in dem Verständnis, dass wir nur mit einem ausgewogenen, partnerschaftlichen Ansatz Sicherheit, Stabilität und Prosperität in Zentralasien in unserem und im dortigen Interesse fördern können. Dieser Ansatz muss die spezifischen Anliegen der zentralasiatischen Staaten ernst nehmen. Und er muss die regionalen Herausforderungen in den Blick nehmen. Ausgewogenheit heißt schließlich auch, die Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten in ihrer gesamten Breite voranzubringen. Das schließt nach unserem Verständnis auch substanzielle Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz ein. Dies alles muss transparent gestaltet werden, um Vertrauen in Zentralasien, aber auch bei anderen internationalen Akteuren in der Region zu schaffen.