Afghanistan: NATO-AWACS Einsatz

Deutscher Bundestag - 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Beratung des Antrags der Bundesregierung "Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen."

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, das Wort.

Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die NATO hat letzten Freitag beschlossen, zur Unterstützung von ISAF ihr luftgestütztes Frühwarnsystem AWACS über Afghanistan einzusetzen. Die Bundesregierung begrüßt, dass nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen angesichts des klaren Bedarfs an verbesserter Luftraumüberwachung über Afghanistan ein Beschluss gefasst werden konnte.
Die derzeit in Afghanistan praktizierte Luftraumüberwachung ist längst hinter dem ständig wachsenden zivilen wie militärischen Flugaufkommen zurückgeblieben. Diese Entwicklung wird anhalten. Prognosen der NATO sehen in naher Zukunft ein weiteres starkes Wachstum um das Drei- bis Fünffache voraus.
Demgegenüber ist die afghanische Regierung auf absehbare Zeit nicht in der Lage, eine funktionsfähige Flugsicherung aufzubauen. Die AWACS-Flugzeuge sind das beste Mittel, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Sie werden im Rahmen von ISAF ausschließlich im afghanischen Luftraum eingesetzt. Sie sollen den gesamten Luftverkehr über Afghanistan sicherer machen. Sie sollen auch die militärische Operationsführung von ISAF unterstützen. Denn auch die Zahl der militärischen Flugbewegungen wird in den nächsten Monaten weiter anwachsen. Das ist angesichts des Aufwuchses von ISAF-Kräften im laufenden Jahr insbesondere infolge der Absicherung der Präsidentschaftswahlen sowie angesichts zusätzlicher angekündigter US-Truppen absehbar.
Eine verbesserte Luftraumkoordinierung dient auch dem Schutz deutscher Soldaten, sowohl der Piloten und Besatzungen unserer Flugzeuge als auch der Soldaten am Boden, die in Notsituationen auf Unterstützung aus der Luft angewiesen sind.
Der AWACS-Einsatz kommt durch die Verbesserung der Flugsicherheit aber auch dem Schutz der afghanischen Bevölkerung und der zivilen Helfer zugute.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit einige Punkte festhalten, die vielleicht helfen können, bestimmte Diskussionen zu vermeiden, die einer sachlichen Grundlage entbehren. Zunächst werden NATO-AWACS allein im Rahmen von ISAF eingesetzt. Sie haben ausdrücklich nicht die Aufgabe, geplante OEF-Luftoperationen zu koordinieren oder zu führen. Natürlich erfassen sie in ihrer Funktion als sogenannte fliegende Tower neben dem zivilen auch den gesamten militärischen Flugverkehr über Afghanistan, also auch den der OEF. Dies geschieht allerdings mit dem Ziel der Entflechtung. Das macht auch Sinn; denn alles andere würde dem Ziel einer verbesserten und sichereren Luftraumkoordinierung zuwiderlaufen. Wie bisher bleibt dabei die wechselseitige Nothilfe zwischen Einheiten der beiden Operationen zulässig und ist gerade im Ernstfall für den Schutz der eingesetzten Soldaten unverzichtbar.

(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU])

Ich möchte außerdem feststellen: NATO-AWACS haben weder eine Bodenaufklärungs- noch eine Feuerleitfunktion. Sie können lediglich navigatorische Unterstützung leisten. Die Entsendung der AWACS stellt im Übrigen keine dauerhafte Lösung dar. Mittel- und langfristig gilt für die Luftraumüberwachung das Gleiche wie für alle anderen Bereiche des Wiederaufbaus in Afghanistan: Ziel des Engagements der internationalen Gemeinschaft ist es, die afghanische Regierung in die Lage zu versetzen, selbstständig und dauerhaft für Stabilität und Entwicklung im eigenen Land zu sorgen. Dieses Prinzip der Selbstverantwortung soll in Zukunft auch für die Luftsicherheit gelten. Dafür braucht Afghanistan vorläufig aber noch Hilfe von außen. Deshalb engagiert sich die Bundesregierung beim Aufbau der notwendigen Strukturen.
Vor einigen Wochen wurde mit dem Neubau des Flughafens von Masar-i-Scharif begonnen, den wir zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten durchführen. Gemeinsam mit den Niederlanden wird sich Deutschland außerdem am Ausbau des zivilen Teils des Flugfelds in Tarin Kowt in der Provinz Uruzgan beteiligen. Neben diesen Infrastrukturmaßnahmen investieren wir auch in die Aus- und Weiterbildung von Sicherheitspersonal, Fluglotsen, Technikern und Managementpersonal. Erst vor wenigen Tagen konnten wir hierfür Singapur als Kooperationspartner gewinnen. Auch die US-Regierung plant, ihre Unterstützung für den Aufbau einer zivilen Flugsicherung auszubauen.
Unsere gemeinsamen Anstrengungen werden dazu führen, dass wir die Verantwortung auch im Luftsicherungsbereich schrittweise an die Afghanen übertragen können. Bis dahin werden die AWACS jedoch dringend benötigt. Deswegen bittet die Bundesregierung Sie herzlich um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)