Gernot Erler
Global Monopoly
Weltpolitik nach dem Ende der Sowjetunion
Berlin 1998, Aufbau Taschenbuch Verlag,
128 Seiten, DM 14,-

Global Monopoly. Weltpolitik nach dem Ende der Sowjetunion

Eine Rezension: Auf der Suche nach neuer Orientierung

"Global Monopoly" - Gernot Erlers weltpolitische Analyse Von Wolf J. Bell
aus General-Anzeiger (Bonn), 11.7.98

Mit begabten und engagierten Außenpolitikern ist Deutschlands introvertierte politische Klasse nicht gerade reich gesegnet. Das ist erstaunlich für ein Land, das in allen seinen Belangen so sehr von äußeren Bedingungen und einer guten Außenpolitik abhängig ist. Doch hier ist ein neues Talent zu entdecken: Keiner, der in Stammtischmanier über "nationale Interessen" philosophiert, und keiner dem die Außenpolitik vor allem als Feld persönlicher Profilierung nützlich erscheint. Gernot Erler, SPD-MdB seit 1988 und mit Fritz Erler, seinem legendären Namensvetter, weder verwandt noch verschwägert, hat lange in der Stille ernsthafte Arbeit geleistet. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses, als Vorsitzender des Unterausschusses Abrüstung hat er sich bisher eher im östlichen und westlichen Ausland als in der Bundesrepublik selbst einen Namen gemacht. Erst in den letzten Jahren fanden seine wachsenden Erfahrungen und Einsichten auch in einer Reihe von Veröffentlichungen ihren Niederschlag.


"Global Monopoly" nennt er sein jüngstes Buch, das sich mit den Ursachen, Hintergründen und Tendenzen des großen weltpolitischen Umbruchs seit dem Ende des Systemkonflikts zwischen West und Ost auseinandersetzt. Jedem, der über die brennenden Themen dieser Umbruchperiode mitreden will, bietet es eine umfassende, scharfsichtige und fesselnde, durch gründliche Recherche und verläßliche Daten unterfütterte Analyse und aufregende Einsichten, die der tägliche Nachrichtenkonsum nicht vermittelt.

Die Machtlücke des Politischen seit dem Ende des Kalten Kriegs, die verlorene Friedensdividende, die Ablösung der UN durch die NATO als Konfliktmanager, die Risiken der Osterweiterung der Allianz, die zwiespältige Rolle der USA als letzte Supermacht, eine Rußlandpolitik, die gleichzeitig einzubinden und auszugrenzen versucht, das Ringen zwischen einer multipolaren und einer unipolaren Weltordnung, die Dritte Welt als Opfer eines globalen Spiels, bei dem wie beim Monopoly einem am Ende alles gehört - das sind die höchst spannenden Themen dieser Schrift, die sich bescheiden, aber dafür erschwinglich als Taschenbuch präsentiert.

Nach dem Grundsatz, daß Außenpolitik zunächst der sorgfältigen und unvoreingenommenen Analyse bedarf, hat Erler auf operative Schlußfolgerungen verzichtet. Er verläßt sich darauf, daß viele der aufgeworfenen Fragen ihre Antworten in sich selber tragen. So leistet er einen wichtigen und herausfordernden Beitrag zu einer unverzichtbaren Diskussion, die aber weitgehend verstummt ist, seit Helmut Kohl diesen lebenswichtigen Bereich der Politik als Chefsache betreibt, und die auch im Wahlkampf so gut wie keine Rolle spielt.

Egon Bahr, einer der wichtigsten Vordenker und Mitgestalter deutscher Außenpolitik auf dem Weg zur Überwindung der Spaltung Europas, stellte Erlers Buch der Öffentlichkeit vor. Er hat selbst kürzlich versucht, mit provozierenden Thesen jene unverzichtbare Diskussion wieder in Gang zu bringen, und üßte den Jüngeren als Verbündeten "Hier zeigt einer Flagge", sagte er, "und die doppelte Sorge: Ob das westliche Wertesystem als konkurrenzloses Monopol gegen die Erfahrungen global reformfähig ist. Und zum anderen: Ob Deutschland die notwendige weltpolitische Orientierung gewinnt, statt in provinzieller Nabelschau zu verharren.