Unternehmen in Verantwortung

Rede von Gernot Erler auf der Konferenz „Unternehmen in Verantwortung. Ein Gewinn für alle" in Berlin, 30. April 2008

Kernthesen:

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

ich freue mich heute zur Unternehmensverantwortung zu Ihnen zu sprechen.  

Gestern haben wir viel über die Unternehmensverantwortung im Ausland gesprochen. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie deutsche Unternehmen im Ausland mit den kritischen Folgen der Globalisierung für Menschen, soziales Umfeld und Umwelt dort umgehen.

Die Begleitumstände gerade des arbeitsteiligen Wirtschaftens über Landesgrenzen hinweg sind kein Phänomen, das nur in fernen Ländern auftritt. Sie sind auch bei uns in Deutschland spürbar! Deshalb begrüße ich sehr, dass sich der zweite Konferenztag der Unternehmensverantwortung im Inland widmet. 

Um eine Brücke zwischen den beiden Konferenztagen zu schlagen, möchte ich den internationalen Aspekt des unternehmerisch verantwortungsvollen Handelns von kleinen und mittleren Unternehmen beleuchten.

Auf den ersten Blick scheint das Auslandsgeschäft eine Domäne der großen Unternehmen zu sein. Jeder kennt die Namen der großen Firmen, die rund um den Globus erfolgreich ihre Produkte verkaufen. Inzwischen sind aber viele kleine und vor allem mittlere Unternehmen im internationalen Geschäft tätig. Und es werden täglich mehr.

Kleine und mittlere Unternehmen hört sich immer so ein wenig nach dem Zeitschriftenladen um die Ecke an. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aus mehreren Gründen um ein sehr spannendes Thema. Dazu ein paar Fakten:

Die KfW-Studie fand auch etwas wortwörtlich Naheliegendes heraus: Die deutschen kleinen und mittleren Unternehmen sind besonders an der Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa interessiert. Sie wissen, dass mein besonderes Interesse seit langem unserer Nachbarregion gilt. Der frühere Außenminister Genscher prägte den Ausspruch, es könne dem Westen Europas nicht gut gehen, wenn es dem Osten schlecht geht. Deshalb begrüße ich das Engagement der kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Region besonders. Die kleinen und mittleren Unternehmen leisten mit ihrem Wirtschaftsaustausch mit Mittel- und Osteuropa einen herausragenden Beitrag zum Aufbau in dieser Region und zur Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Europa. Dies ist nicht unbedingt ihr Unternehmensziel, dies ist jedoch ein willkommenes Ergebnis praktizierter Unternehmensverantwortung

Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland waren, sind und werden immer Motor gesellschaftlicher Verantwortung sein. Sie blicken dabei auf eine gute und lange Tradition zurück.

Aus dem Ausland sind mir dazu zahlreiche Engagements auch aus anderen Regionen bekannt, wo kleine und mittlere Unternehmen auf vorbildliche Weise ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten. Ein Beispiel ist die Firma Faber-Castell, die Unternehmensverantwortung zu einem integralen Teil ihrer Strategie gemacht hat und beispielsweise in Zentralamerika Plantagen zertifiziert, damit die Herkunft der Rohstoffe jederzeit nachvollziehbar ist. Ein anderes gutes Beispiel:  das Unternehmen Otto Bock Healthcare, das in seinem Bereich der Orthopädietechnik weltweit und oft in verminten Gebieten tätig ist. Es zeichnet sich durch ein breites gesellschaftliches Engagement etwa bei der Ausstattung von Werkstätten aus. Oder die Firma Karl Storz, die mit ihrer "Womens Health Initiative " zusammen mit der GTZ gezielt Ärzte und Ärztinnen aus ländlichen Gebieten Indiens schult, um mit fortgeschrittener Technik die Behandlung zum Patienten zu bringen anstatt umgekehrt. Diese drei Firmen stehen stellvertretend für ein großes gesellschaftliches Engagement deutscher Unternehmen. Dafür möchte ich allen, die sich in Unternehmensverantwortung engagieren, herzlich danken. 

Was eint diese drei Beispiele in ihrem Engagement? Für mich sind es vor allem drei Punkte. Erstens, kleine und mittlere Unternehmen kommen aus einem übersehbaren Umfeld und haben daher oft den Blick für ihre unmittelbare Umgebung. In der Heimat haben sie sich dann beispielsweise mit der Frage der Abholzung beschäftigt. Oder persönliche Erinnerungen werden wach. Oder die Frage nach der Nahhaltigkeit des eigenen Tuns erhebt sich. Diesen Blick nehmen sie mit, wenn sie sich im Ausland engagieren.  

Zweitens, kleine und mittlere Unternehmen sind persönlicher strukturiert, weniger anonym. Dem einzelnen gelingt es leichter, eine Idee vorzustellen und umzusetzen. Das Engagement der Unternehmer gepaart mit der Flexibilität der Strukturen liefert dann auch im Ausland zahlreiche Ansatzpunkte für verantwortliches Handeln. 

Und drittens, kleine und mittlere Unternehmen leben ihre Werte unmittelbar und damit sehr glaubwürdig vor, weil sie die Nähe verkörpern, die großen Unternehmen notgedrungen fehlt. Dies schafft Vertrauen. Und dieses Vertrauen ist im Ausland besonders viel wert, da man dort als Fremder auftaucht und nicht zwingend willkommen sein muss. 

Wir wollen die Globalisierung fair gestalten. Wir wollen, dass die Menschen im In- und Ausland die Chancen, die die Globalisierung bietet, nützen können, um daraus so gut wie möglich Vorteile zu ziehen. Und wir wollen, dass sie von den hässlichen Auswüchsen verschont bleiben.  

Bundesminister Steinmeier sprach gestern von der Zielidentität zwischen Außenpolitik und international operierenden Unternehmen, die sich die Verantwortung für eine menschenwürdige Globalisierung teilen. Außenpolitik und Unternehmen bilden hier also eine Verantwortungsgemeinschaft. Mit steigendem Auslandsengagement wächst darin auch die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen. 

Als traditionelle Träger von Verantwortungskultur wünschen wir uns die kleinen und mittleren Unternehmen daher noch stärker als unsere Partner bei der sozialen Ausgestaltung der Globalisierung.

Ich weiß: Für kleine und mittlere Unternehmen ist das Auslandsgeschäft stets eine besondere Herausforderung, denn sie können sich im Gegensatz zu den großen, international operierenden Unternehmen kaum eigene Auslandsabteilungen leisten. Auslandsengagement ist dann eben Chefsache, nur dass der Chef nicht zulange aus dem Betrieb zuhause fehlen will und kann. Noch weniger ist es ihnen möglich, eigens Kolleginnen und Kollegen für die CSR-Abteilung abzustellen. 

Zahllose KMUs engagieren sich natürlich bereits durch ihre Beiträge für das Gemeinwesen, für ihre Arbeitnehmer und deren Familien sowie für den Umweltschutz in den Partnerländern. Ihre Massnahmen wie Plantagenzertifizierung, Gesundheitsvorsorge oder Ausbildung entspringen oft einer vorbildlichen ethischen Verantwortungshaltung. Meiner Ansicht nach spricht nichts dagegen, dieses Verhalten auch bewusst in die Unternehmensphilosophie einzubauen.   

Aus meiner Sicht ist Engagement in der Unternehmensverantwortung ein besonders positives Unterscheidungsmerkmal und deshalb ein Wettbewerbsvorteil und somit ein Trumpf! Ja, oft gehört verantwortungsbewusstes Handeln so sehr zur Kultur eines Unternehmens - und das gilt besonders für kleine und mittlere Unternehmen -, dass es dieses Unterscheidungsmerkmal gar nicht als solches wahrnimmt. Hier bieten sich auch bei der Kommunikation große Möglichkeiten, die dem einzelnen Unternehmen konkreten Nutzen bringen. Ich möchte die kleinen und mittleren Unternehmen daher ausdrücklich ermutigen, diese Herausforderung engagiert anzugehen. 

Aber nicht nur das: Mit geeigneten Maßnahmen der Unternehmensverantwortung festigen die Unternehmen auch ihre Position im Partnerland. Die Beispiele, die ich vorher erwähnt habe, belegen dies eindrücklich. Sie können sich dadurch gegenüber ihren Konkurrenten aus dem Gastland und dem Ausland vorteilhaft profilieren. Außerdem wächst dadurch auch die Akzeptanz der Globalisierung im Partnerland, weil ihre positiven Seiten sichtbar werden.  

Dennoch möchte ich an dieser Stelle auch nicht verhehlen: Die Unternehmensverantwortung birgt auch Risiken und ist kein Selbstzweck. Die erste Aufgabe eines Unternehmens ist es langfristig profitabel zu sein. Dann schafft das Unternehmen auch bereits die Grundlage für eine prioritäre soziale Aufgabe: Es schafft Arbeitsplätze. Erst danach - und dann sollte das unbedingt kommen - sollte sich ein Unternehmen fragen, wie es die gesellschaftliche Verantwortung in seine Strategie einbauen kann. Aus dem internationalen Blickwinkel betrachtet bedeutet dies leider auch, dass sich Unternehmen in die Länder kaum vorwagen, in denen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit die Aussichten auf Gewinn besonders schlecht, die Ergebnisse geeigneter CSR-Maßnahmen aber umso spürbarer wären.

Ich möchte an dieser Stelle ein Wort zum Verhältnis zwischen Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen sagen: Gerade im Feld der gesellschaftlichen Verantwortung ist Verständigung anstelle eines manchmal zu beobachtenden instinktiven Zurückweichens angebracht! 

Dem Engagement der Nichtregierungsorganisationen ist es entscheidend zu verdanken, dass die Bedeutung der Unternehmensverantwortung in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Bis vor nicht allzu langer Zeit galt, dass bei CSR die Nichtregierungsorganisationen in der Offensive und die Unternehmen in der Defensive stehen. Viele Unternehmen haben das positive Potential von CSR inzwischen erkannt und es sich zu eigen gemacht. Es ist in der Unternehmensstrategie verankert und gilt nicht mehr fälschlich als schmuckes Beiwerk. Und bei vielen Firmen werden dafür Mitarbeiterkapazitäten aufgewendet. Kleine und mittlere Unternehmen tun sich dabei verständlicherweise weniger leicht.  

Aber auch die Nichtregierungsorganisationen haben erkannt, dass sie die Unternehmen noch stärker "mitnehmen" müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Davon sollten gerade die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren. Gerade im Ausland kennen sich die Nichtregierungsorganisationen oft bestens aus, wissen über die Handlungsfelder Bescheid, kennen die Ansprechpartner und können deshalb gewinnbringend eingebunden werden.

Ich weiß, dass die weit überwiegende Zahl der deutschen Unternehmen im Ausland - egal ob groß, mittel oder klein - ihr Engagement in der Unternehmensverantwortung verbessern und strategisch ausbauen möchte. Dass dies eine Herausforderung ist, weiß ich. Alle im Ausland aktiven deutschen Einrichtungen der Wirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit - egal ob Botschaften, Auslandshandelskammern oder Mittlerorganisationen - sollten darin eine Verantwortungsgemeinschaft bilden und die kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen. 

Die Beratungsangebote an den Auslandsvertretungen und an den Auslandshandelskammern richten sich daher gerade auch an kleine und mittlere Unternehmen, weil deren personelle und finanzielle Ressourcen begrenzt sind. Dabei spielt Unternehmensverantwortung eine zunehmende Rolle und wir werden interessierte Unternehmen fundiert über Möglichkeiten und Ansprechpartner unterrichten.  

An dieser Stelle weise ich noch einmal auf das gemeinsame Projekt mit der Bertelsmann Stiftung hin. Wir richten ein Portal ein, das sich gerade an die kleinen und mittleren Unternehmen richtet. In einer Studie für das Portal hat die Bertelsmann Stiftung ermittelt, dass der Informationsbedarf gerade bei den KMU besonders groß ist. Das Portal wird Länderinformationen unserer Auslandsvertretungen sowie Informationen und Instrumente für das Management von Projekten der Unternehmensverantwortung bereitstellen, Wir sind damit bestrebt, die kleinen und mittleren Unternehmen gerade in diesem Bereich noch besser zu unterstützen. 

Auch auf den Unternehmerreisen des Auswärtigen Amts spielt die Unternehmensverantwortung eine wachsende Rolle. Erst in der vorletzten Woche war ich mit einer Gruppe von Unternehmern in Tadschikistan. Der Schwerpunkt der Wirtschaftsdelegation lag in den Bereichen Energieeffizienz und Wasserkraft. Das Auswärtige Amt möchte mit einer solchen Zusammensetzung auch ausdrücklich Zeichen setzen: zum einen der Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen und zum anderen für die Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. 

Zum Schluss möchte ich sagen: ohne kleine und mittlere Unternehmen wäre Deutschland nichts. Wir wollen die Globalisierung gemeinsam mit kleinen und mittleren Unternehmen fair gestalten. Als verantwortungsbewusste Akteure der Globalisierung brauchen wir sie dazu. Lassen Sie uns daran zusammen arbeiten.