Aktuelle Stunde: Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen

Deutscher Bundestag, 155. Sitzung, Freitag, den 11. April 2008: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zur Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen

Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einleitend gleich zum Hauptgegenstand dieser Aktuellen Stunde kommen und Folgendes klarstellen: Das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Tripolis hat die Arbeit der Firma BDB in Libyen in keiner Weise unterstützt oder gar gefördert. Als Mitarbeiter der Botschaft im November 2005 zufällig von der Tätigkeit der Firma erfuhren, wurde sichergestellt, dass dies von fachlich kompetenter Seite in der Bundesregierung weiterverfolgt wurde. Ein Skandal sieht wahrlich anders aus. Daran ändern auch alle rhetorischen Bemühungen hier nichts. Darin kann ich dem Kollegen Haibach nur zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte zunächst auf die Berührungspunkte zwischen der Firma BDB Protection GmbH und dem Auswärtigen Amt eingehen. Die Aktivitäten der Firma BDB in Libyen kamen der deutschen Botschaft in Tripolis nur zufällig zur Kenntnis, als der damalige Ständige Vertreter und ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes am Rande eines Fußballspiels im November 2005 auf einen Vertreter der Firma BDB stießen. Für den Mitarbeiter des Auswärtigen Amts blieb es bei dieser einmaligen Zufallsbegegnung. Weitere Kontakte zwischen Mitarbeitern des Auswärtigen Amts und der Firma BDB hat es danach nicht gegeben. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages hat sich bekanntlich im Laufe dieser Woche bereits ausführlich mit diesem Vorgang befasst.

Im Februar 2006 wurde ein Antrag auf Lieferung von Pistolen an das libysche Innenministerium für die Ausstattung einer Antiterroreinheit, die, wie am Rande erwähnt wurde, durch die Firma BDB ausgebildet würde, von der Bundesregierung abgelehnt. Das gebe ich dem inzwischen enteilten Kollegen Ströbele zur Kenntnis. 

Danach ist das Auswärtige Amt erst wieder im Dezember 2006 durch die Zuschrift des Wehrdisziplinaranwalts mit der Bitte um Information über die Tätigkeit von BDB-Mitarbeitern mit diesem Fall befasst worden. Die vom Wehrdisziplinaranwalt genannten Personen waren der Botschaft nicht bekannt, lediglich der bei dem besagten Fußballspiel angetroffene Leiter der Firma. Dies wurde dem Wehrdisziplinaranwalt vom Auswärtigen Amt auch so mitgeteilt.

Darüber, ob es richtig ist, dass der Export von Dienstleistungen im polizeilichen Bereich - wie bei der Firma BDB - bislang keiner Genehmigungspflicht unterliegt, muss man in Ruhe nachdenken. 

(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Das ist die Rechtslage! - Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)

Aber das ist die zurzeit geltende Rechtslage.

Ich möchte noch eine Frage im Zusammenhang mit dem politischen Kontext ansprechen, die bisher in der öffentlichen Debatte eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat: Welchen Umgang sollen wir mit einem Land wie Libyen pflegen, mit dem wir trotz erheblicher Unterschiede und Gegensätze bei Wertsetzungen und der politischen Kultur auch wichtige gemeinsame Interessen haben? Wie honorieren wir Schritte von Staaten in die richtige Richtung, auch wenn sie uns noch lange nicht weit genug gehen? Der Kollege Michael Hartmann hat dieses Thema schon angesprochen. 

Libyen hat seit 1999 eine eindrucksvolle Kehrtwende in seiner Außenpolitik vollzogen.

(Wolfgang Neškovic [DIE LINKE]: Nur nicht in der Innenpolitik!) 

Es hat mit der Auslieferung der Lockerbie-Attentäter und der Entschädigungsregelung in den Fällen Lockerbie und La Belle den Weg der Normalisierung seiner Beziehungen zu westlichen Staaten eingeschlagen. Es hat im Jahr 2003 seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen erklärt, das IAEO-Zusatzprotokoll unterzeichnet und ist dem Chemiewaffenübereinkommen, CWÜ, beigetreten. Es war und ist ein genuines Eigeninteresse der Staatengemeinschaft - auch Deutschlands -, Libyen auf diesem Weg weiter zu unterstützen. Libyen ist Teil einer vom islamistischen Terrorismus bedrohten Region. Es ist zugleich Ziel- und Transitland für Tausende illegaler Einwanderer aus Afrika, von denen viele nach Europa streben. Bei der EU-Afrika-Konferenz in Tripolis 2006 wurde daher zu diesem Thema eine engere Zusammenarbeit vereinbart.

Bei aller Anerkennung für Libyens Abkehr vom Terror, für den Beitritt zum Nichtverbreitungsregime und für die Öffnung hin zur westlichen Welt hat die Bundesregierung niemals die fortbestehende autoritäre Natur des libyschen Regimes und die andauernden Menschenrechtsverletzungen ignoriert. Menschenrechtliche Defizite, insbesondere der Fall des zum Tode verurteilten bulgarischen Pflegepersonals, wurden immer klar und deutlich angesprochen. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben wir entscheidend daran mitgewirkt, in diesem Fall die Freilassung der Betroffenen zu erreichen. 

An der restriktiven Exportpolitik der Bundesregierung gegenüber Libyen hat sich auch nach der Aufhebung der UN-Sanktionen im Jahr 2004 nichts geändert. Eine Vielzahl von Anträgen wurde negativ beschieden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sich andere europäische Staaten wie Frankreich bereits seit 2005 darum bemüht haben, libysche Sicherheitskräfte auszubilden. Nach 2004 hat Libyen immer wieder bei verschiedenen Stellen in der Bundesregierung auf eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Bekämpfung illegaler Migration gedrängt. 2006 - das wird mein Kollege Altmaier sicherlich genauer ausführen - hat das Bundesinnenministerium dazu erste Gespräche geführt.

Lassen Sie mich eine Schlussfolgerung ziehen. Als Gesamtfazit möchte ich feststellen: Die Bundesregierung hat nicht nur nachweislich korrekt gehandelt, sondern hat auch politisch angemessen auf den Wandel der libyschen Politik reagiert. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)