Gernot Erler zur Friedensdenkschrift der EKD

Diskussion zur Friedensdenkschrift der EKD

Berlin, 15.2.08

--- es gilt das gesprochene Wort ---

 

Verehrte Frau Landesbischöfin Dr. Käßmann,

sehr geehrter Herr Dr. Sachau,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

erst einmal möchte ich mich herzlich bedanken, dass Sie mich anlässlich der Veröffentlichung der Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen", eingeladen haben, hier zu diskutieren.

 Ich möchte mich nicht nur bedanken, dass ich heute Abend hier sein kann, sondern auch für den Leseanstoß. Für mich war dies ein Anlass, die gesamte Denkschrift Zeile für Zeile auch tatsächlich zu lesen. Ich muss sagen, das habe ich mit wachsendem Interesse getan und zwar auch mit einem deutlichen Gewinn und mit einigen überraschenden Erkenntnissen. Nun hat mir Herr Dr. Sachau ein ganz erhebliches Programm als Aufgabe gestellt. Ich möchte Ihnen sagen, wie ich mich dieser Aufgabe stellen will:

 ch beginne mit einem kurzen aktuellen Blick in meine ganz persönliche „Werkstatt", weil diese mit dem heutigen Thema zu tun hat. Ich werde auf das Verhältnis von

sicherheitspolitischen Herausforderungen und politischen Antworten schauen, wie sich dieses in letzter Zeit entwickelt hat. Abschließend - und das wird sicherlich viele Diskussionspunkte ansprechen - versuche ich die Frage zu beantworten, wo Deutschland in dieser Entwicklung und in dieser Fragestellung steht.

 Zunächst also dieser „Werkstattbericht": Ich komme gerade zurück aus Kenia. Dieses Land galt bisher als Musterland in Ostafrika, wo auch viele deutsche Touristen gerne hinfahren, auch weil die Lage dort bisher stabil und sicher war. Wichtige UN-Organisationen mit über 5000 Mitarbeitern haben dort ihren Sitz, und jetzt hat plötzlich, ohne dass man es vorhersehen konnte, eine tragische Entwicklung stattgefunden. Am 27. Dezember fanden in Kenia Präsidentschaftswahlen statt. Dabei sah es so aus, als ob der Oppositionskandidat Odinga gewinnen würde. Am Ende hieß es jedoch, dass der bisherige Präsident Kibaki Sieger der Wahlen sei. Das führte zu sehr energischen Protesten der Opposition und danach zu tragischerweise an ethnischen Linien sich vollziehenden Gewalttaten mit über 1.000 Toten und mit mehr als 350.000 - manche reden sogar von bis zu 500.000 - Flüchtlingen bis heute.

Von einem Tage auf den anderen stehen nicht nur die Sicherheit, das Prestige dieses Modells Kenia auf dem Spiel, sondern es stellt sich auch die Frage, wie man diesen Gewaltausbruch verhindern kann, in den das Land abgleitet.

 Es ist um Hilfe gerufen worden und einer hat den Hilferuf aufgenommen. Das war Kofi Annan, der frühere Generalssekretär der Vereinten Nationen, dem viel Vertrauen entgegen gebracht wird. Er hat ein Eminent African Personalities Panel gebildet, also ein Panel herausragender Persönlichkeiten, die aus Afrika stammen und dort Vertrauen genießen und hat dort eine Vermittlungsmission begonnen.

 Nachdem Kofi Annan mit seinen Vermittlungsbemühungen begonnen hatte, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier ihm jede erdenkliche Unterstützung angeboten. Daraufhin hat Kofi Annan ihn gebeten, ihm jemanden zu schicken, der die Details und Mechanismen einer Großen Koalition erläutern kann, da dieses Modell eine Zusammenarbeit zwischen den beiden

verfeindeten Lagern unabhängig von der Gültigkeit des Wahlergebnisses einen Ausweg aus der Krise bedeuten könnte. Daraufhin hat der Außenminister mich am letzten Wochenende gebeten, nach Kenia zu fliegen, um an diesem Vermittlungsversuch teilzunehmen. Ich habe dann einen intensiven, sehr detaillierten Bericht darüber gegeben, was eigentlich eine Große Koalition ist, wann man sie bildet, wie man ein Programm entwirft, wie man eine faire und balancierte und proportionale Machtverteilung gewährleistet, um langfristig Erfolg zu haben und wie man hinterher miteinander umgeht, damit sie auch zum Erfolg führt. Das alles hat dort große Aufmerksamkeit gefunden und kann vielleicht unter Umständen helfen, einen Ausweg aus der Krise zu finden.

 Warum erzähle ich Ihnen das? Nicht, weil es ein interessantes politisches Erlebnis war. Ich muss sagen, ich bin voller Respekt und geradezu Hochachtung vor diesem Mann, Kofi Annan, der eine solche persönliche Ausstrahlung und Autorität hat, dass er vielleicht eine Chance hat, dieses Problem zu lösen. Es ist immer wert, ihm zu helfen. Das ist aber nicht der Punkt. Ich muss sagen, dass in vieler Hinsicht, das, was dort passiert ist, so aus dem Nichts heraus, typisch für unsere heutigen, praktisch jeden Tag wechselnden friedenspolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen ist.

 Es ist typisch, weil interessanterweise hier ein Problem mit Demokratisierung einhergeht. Wahlen sind ein Fortschritt, aber wir erleben immer häufiger, dass gerade Länder, die noch keine festen Traditionen, keine wirksamen Mechanismen und Institutionen haben, plötzlich vor dem Problem stehen, dass das Ergebnis einer Wahl - möglicherweise auch völlig berechtigt - nicht anerkannt wird. Die Frage ist: Wer hat eigentlich Wahlbeobachter, wer bildet sie aus? Wer schult sie so, dass sie auch in völlig fremden Kulturen wirksam sein können?

 Plötzlich werden friedenspolitische Aufgaben und die Möglichkeit angesehene Vermittler sozusagen als letzte Möglichkeiten einzusetzen, immer wichtiger. Deswegen habe ich diesen Fall an den Anfang meiner Ausführungen hier gestellt, um zu zeigen: Es gibt sehr viele Beispiele für einen ganz schnellen Wandel von sicherheitspolitischen Herausforderungen. Das ist auch der Titel dieser Veranstaltung und das, was ich Ihnen jetzt erzählt habe, ist ein Beleg für die Globalisierung auch in der Sicherheitspolitik. Wir können nicht sagen: „Ostafrika? Viel zu weit weg. Interessiert uns nicht." Ein Hilferuf wie der, der jetzt gekommen ist, den müssen wir beantworten, weil es im Zeitalter der Globalisierung kein Nah und Fern mehr gibt. Wenn Hilfe gebraucht wird, dann tun wir das auch in unserem eigenen Interesse. Und wir haben das Interesse, dass nicht noch mehr Krisen, nicht noch mehr katastrophale Entwicklungen, nicht noch mehr Flüchtlinge auf der Welt entstehen, weil wir uns immer mehr in eine

Überforderungssituation hinein bewegen. Deswegen können wir nicht sagen: „Was interessiert uns in Europa, was in Ostafrika passiert?" Das ist nicht mehr möglich.

 Das bringt mich jetzt zu meinem zweiten Teil, in dem ich fragen will, wie sich diese sicherheitspolitischen Antworten in den letzten Jahren entwickelt haben und wie sie mit dem Aufbau von Fähigkeiten zu politischen Antworten korrelieren.

Der Ausgangspunkt ist immer diese große Veränderung für uns alle zwischen 1989 und 1991, als sich eine Struktur verändert hat, die des Kalten Krieges, die Blockkonfrontation, als viele sagten: „Jetzt kommt eine bessere Zeit. Jetzt haben wir mehr Mittel für vernünftige

Investitionen, anstatt in die idiotischen Rüstungen des Kalten Krieges zu investieren". Man sprach von der „Friedensdividende", daran erinnere ich mich noch genau. Dann kam sehr bald die Erkenntnis, dass das so leicht nicht funktioniert, dass sogar in Europa mit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes - dieses Systems der Zusammenarbeit der unter dem Einfluss und Kontrolle der Sowjetunion stehenden Länder - ein gefährliches Vakuum entstanden war und dass man darauf antworten muss. In den 90er Jahren gab es als Antwort darauf zwei Prozesse: ein recht positiver, ein anderer schockierender. Der Positive war, dass die EU, die interessanterweise in der Denkschrift auch als „epochale Friedensleistung" bezeichnet wird - ein zwar drastischer Ausdruck, den ich, aber eigentlich nur unterstreichen kann - richtig reagiert hat, indem sie dort die Perspektive der EU-Erweiterung eröffnete, als eine Antwort auf dieses Vakuum der Zugehörigkeit in Ost- und Südosteuropa. Und wir wissen, dass daraus ein sehr positiver Prozess mit konkreten Erweiterungsschritten im Jahr 2004 und Anfang 2007 geworden ist. Heute begreifen wir, dass das ein Friedensprozess war, weil viele Länder, die verunsichert waren, sich auf den Weg hin zu europäischen Prinzipien und europäischen Werten gemacht haben, einschließlich der Maxime, Nachbarschaftskonflikte und Minderheitenprobleme friedlich zu lösen.

 Im Nachhinein rechtfertigt sich dieser Begriff in der Denkschrift von der „epochalen Friedensleistung", aber leider gibt es auch die andere Erfahrung der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, nämlich die schockierenden, blutigen Kriege auf dem Balkan. Vier Kriege auf europäischem Boden, auf dem Kontinent, der sich nach dem Ende des 2. Weltkrieges vorgenommen hatte: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" - eine Parole, die - wie ich finde - heute noch ihre Gültigkeit hat. Da gab es plötzlich die große Herausforderung, wie man eigentlich reagieren sollte. Es war kein Zufall, dass die moderne europäische und auch deutsche Sicherheitspolitik ihren Anfangspunkt 1999 hat, dem Jahr des Kosovokrieges, dem letzten großen Schockerlebnis in diesem Zusammenhang. Zum ersten Mal entschlossen damals die europäischen Staaten, dass sie eine wirksame, eigene Außen- und Sicherheitspolitik brauchten. Das war die Geburtsstunde der ESVP, der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In diesem Jahr gab es die Selbstverpflichtung der EU, sich eigene, sowohl militärische als auch zivile Fähigkeiten aufzubauen.

 Schon zwei Jahre später, 2001, gab es eine erste Herausforderung an diese neuen europäischen Fähigkeiten, als ein fünfter Krieg auf dem Balkan drohte, in Mazedonien. Zum ersten Mal hatte Europa plötzlich etwas anzubieten: einen eigenen Hohen Repräsentanten und Generalsekretär für die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik: Javier Solana. Dieser hat dann dort vermittelt und einen Vertrag ausgearbeitet, der auch heute die Basis für das Zusammenleben in diesem kleinen Balkanland bildet. Tatsächlich hat die EU bis zum Jahr 2003 - wie verabredet - sowohl zivile wie militärische Fähigkeiten geschaffen, um wenigstens eine Handlungsfähigkeit zu entwickeln.

 Die Zwischenbilanz heute ist: Wir haben bisher 16 verschiedene Missionen internationaler Art der EU gehabt und - das überrascht Sie vielleicht - dies passt sehr gut zu den Forderungen der Denkschrift: Davon waren 12 ziviler Natur, 3 militärische und eine war zivil-militärisch. Also ein deutlicher Überhang der Nachfrage nach zivilen Fähigkeiten an die EU und zwar alles im Sinne von regionaler Prävention, d.h. zur Regelung regionaler Konflikten, um dort präventiv tätig zu werden mit Polizeikräften, mit Rechtsstaatskräften, mit Verwaltungskräften usw..

Zu dieser Politik gehörte die Lehre aus den Balkankriegen, dass die EU auch ein Angebot an die südosteuropäischen Staaten machte, was auf dem Europäischen Rat im Juni 2003 in Thessaloniki so entschieden worden war. Seitdem haben sechs Staaten Südosteuropas auch das feste Versprechen, Mitglied der EU zu werden, an diesem Prozess teilzunehmen, wenn sie die Kriterien erfüllen. Wenn Sie heute an das Kosovo-Problem denken, an die Situation in Serbien, dann kommen Sie bei jeder Diskussion darüber am Ende zu einem Ergebnis: Das einzige, was helfen kann, ist das Angebot der Integration in die Europäische Union. Das ist vielleicht die einzige Perspektive, die aus der Sackgasse herausführt.

 Dann gab es eine neue Herausforderung, die uns noch einmal eine andere Dimension von Bedrohung klar gemacht hat: Der 11. September 2001. Einen Tag nach den furchtbaren Angriffen vom 11. September hat der VN-Sicherheitsrat eine Resolution beschlossen, die besagt, dass diese Angriffe gleichgestellt werden mit einem klassischen Angriffskrieg und der Angegriffene deswegen das Recht zur Selbstverteidigung bekommt. Diese Resolution hat bis heute Gültigkeit. Die Antwort der USA auf diese neue Herausforderung lässt sich in drei Worten zusammenfassen: „War on terrorism" - Krieg gegen den Terrorismus. Die EU hat jedoch auch gefragt, was eigentlich die Ursachen dieser Rekrutierung von jungen Männern und Frauen für terroristische Akte sind und was wir dagegen unternehmen können. Und sie hat die Frage nach der Gerechtigkeit in der Welt gestellt. Dies alles ist niedergelegt in der Europäischen Sicherheitsstrategie vom 20. Dezember 2003. Schon der Titel dieser Strategie ist hoch interessant. Er heißt: „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt". Der Titel verweist auf den Grundtenor dieses sehr wichtigen sicherheitspolitischen Dokumentes, was übrigens auch in der Denkschrift gewürdigt wird.

 Dort sind nämlich einige wichtige europäische Prinzipien niedergelegt: z.B., dass es einen Vorrang für Verhandlungslösungen bei allen Konflikten gibt; dass es eine Priorität der Prävention, der vorausschauenden Friedenspolitik gibt, dass eine nachträgliche bewaffnete Intervention nur als letzte Möglichkeit in Frage kommt; dass man international auf die Vereinten Nationen setzt, auf das Völkerrecht: Stärke des Rechts, statt Recht des Stärkeren; und dass internationale Verträge vor allem Fortschritt bringen müssen und schließlich - und das ist die Korrespondenz zu dem Titel dieses europäischen Dokuments, das verbindlich die Sicherheitsstrategie der Europäer darstellt - dass es notwendig ist, eine bessere Weltordnung zu schaffen, weil nur so Prävention gegen den internationalen Netzwerkterrorismus möglich ist. Es ist notwendig, die Chancen der Dritten Welt und die Verteilungsgerechtigkeit insgesamt zu verbessern.

 Hier sehe ich eine sehr große Nähe zu dem, was im Grunde genommen der Grundtenor dieser ganzen Denkschrift ist, und dieser lautet „Gerechter Frieden": Was heißt denn „Gerechter Frieden" anderes, als diese starke Betonung der Bedeutung, dass es in einer ungerechten Welt immer zu Konflikten kommen wird, dass es immer möglich ist, dass Menschen in marginalisierten Regionen zu Gewaltakten verleitet werden können, wie wir sie seit dem 11. September immer wieder erlebt haben? Ich würde sogar sagen, dass in der europäischen Entwicklung dieses Gedankens „Gerechter Frieden", auch wenn er so nicht genannt wird, dass in der Formulierung der Strategie sogar die Konditionalität noch stärker betont wird als in der Denkschrift: Dass Frieden nur möglich ist mit mehr Gerechtigkeit. Das ist sogar noch eine Zuspitzung des Grundgedankens des Gerechten Friedens. Wenn ich diesen Abschnitt zusammenfasse, komme ich dazu, dass sich in der Europäischen Union, beginnend mit dem Jahr 1999, vieles verändert und entwickelt hat. Vieles davon in eine richtige Richtung. Wir haben jetzt Fähigkeiten, vorausschauende Friedenspolitik zu betreiben. Wir haben ein wandelndes Selbstverständnis in der Europäischen Union, die längst aufgehört hat zu sagen: „Wir sind eine glückliche Verbindung von wohlhabenden Ländern und das reicht uns", sondern die feststellt: „Es gibt keine Grenzen unserer Verantwortung."

 Eine Vereinigung von 500 Millionen Menschen in 27 Ländern hat automatisch eine Verantwortung auch für Vorgänge, die außerhalb dieser Gemeinschaft stattfinden. Bischöfin Käßmann hat die Aussage des damaligen Verteidigungsminister Peter Struck, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukush verteidigt, infrage gestellt. Der Sinn dieser Äußerung, so sehr er provokativ in der Formulierung ist, ist genau dieser: Es gibt heute keinen Konflikt, kein Problem auf der Welt - ich habe das am Anfang am Beispiel Kenia gezeigt - wo wir sagen können: „Das geht uns nichts an!" Dieser Wandel hat in der Tat in der EU stattgefunden und natürlich sehen wir auch Defizite in dieser Entwicklung. Ich will das nicht etwa schön zeichnen. Wir wissen, dass unsere Handlungsfähigkeit noch längst nicht ausreicht, schon gar nicht, um die wachsenden Anforderungen, Nachfragen, gerade nach Hilfe aus der EU, zu beantworten. Das spiegelt sich übrigens auch im Europäischen Verfassungsprozess. Es ist kein Zufall, dass Deutschland in den letzten Jahren dafür gekämpft hat, dass sich diese Strukturen innerhalb der EU verbessern und vor allen Dingen arbeitsfähiger werden. Wir haben für einen europäischen Außenminister gekämpft, der zwar auch in Zukunft noch Hoher Repräsentant heißt, aber praktisch ein Außenminister sein wird, wenn der Reformvertrag Anfang nächsten Jahres hoffentlich überall ratifiziert ist. Es wird zum ersten Mal einen europäischen diplomatischen Dienst geben, und es wird auch eine arbeitsfähige Struktur an der Spitze der EU geben mit einem dann zweieinhalb Jahre am Stück amtierenden Ratspräsidenten.

 Abschließend möchte ich wie angekündigt etwas dazu sagen, wo Deutschland in diesem Kontext steht. Es ist nachweisbar, dass wir wirklich versucht haben, unsere Lektionen zu lernen. 1999 war hier ein Wendepunkt. Von der damaligen Bundesregierung wurden einige Neuerungen eingeführt. Es wurde das ZIF aufgebaut, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze. Ich habe eingangs davon gesprochen, wie wichtig plötzlich Wahlbeobachter werden, sozusagen als Friedensinstrument. Wo sollen die herkommen? Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze bildet solche internationalen Friedensfachleute und vor allen Dingen auch Wahlbeobachter aus. Ein Instrument, das heute von vielen europäischen Ländern kopiert wird. Dann gibt es etwas, was in der Denkschrift auch gewürdigt wird, wofür ich dankbar bin, weil ich sonst eigentlich selten merke, dass es in der Öffentlichkeit überhaupt beobachtet worden ist: Wir haben seit 1998 angefangen, zunächst einmal in der Bundesregierung den Posten eines Beauftragten für Prävention einzurichten. Daraus hat sich ab 2004 der Prozess eines so genannten „Aktionsplanes" entwickelt, eines Aktionsplans für zivile Krisenprävention, Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung. Es gibt besondere Anstrengungen in der Bundesregierung seit 1998, aber ganz besonders seit 2004, das umzusetzen, was in der europäischen Strategie Priorisierung von Prävention, von vorausschauender Friedenspolitik genannt wird. Diese Anstrengungen münden in dem Versuch, alle Fähigkeiten, die in der Bundesregierung in verschiedenen Ministerien existieren, zusammenzubringen und in einen regen Austausch auch mit der Zivilgesellschaft und deren Fachleuten zu treten. Wir haben schon mehrere Stadien dieses Aktionsplans durchlebt, aber ich freue mich, dass dieser auch in der Denkschrift positiv angesprochen worden ist: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Daraus entstand die Konsequenz : "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt" - was auch eine bessere Weltfriedensordnung, eine bessere Weltordnung heißt. In Deutschland ist die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit und der Entwicklungshilfe gestiegen. Dass hier diese Lektion gelernt wurde, kann man auch daran sehen, dass es Jahr für Jahr -selbst in den Jahren, wo alle anderen Etats reduziert wurden - eine Ausnahme für die Entwicklungszusammenarbeit gab. Wir sind heute immer noch weit davon entfernt, bei der Entwicklungszusammenarbeit die 0,7 % vom BIP zu erreichen, aber wir unternehmen große Anstrengungen, dieses Ziel zu erreichen.

 Ich möchte abschließen mit einer Bemerkung: Ich habe in der Lektüre der Denkschrift festgestellt, dass es sehr viele Erkenntnisse gibt, die praktisch parallel sind zu zentralen Fragen, die wir ebenfalls in der Politik behandeln und beantworten müssen. Nur frage ich mich, wo da eigentlich die Verbindungslinien sind. Und deswegen möchte ich auch mit einem Appell schließen: Ich glaube, dass in vielen Punkten die praktische Politik zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt wie die Denkschrift, aber dass es zu wenig Kommunikation gibt. Ich finde, man sollte versuchen diese zu verstärken. Ich kann aus diesem Text sehr vieles lesen oder sogar sehr vieles nun besser begründen, was ich genauso für mich selbst entschieden habe und was ich genauso unterstützen kann in der Politik. Es ist gut, dass man noch besser fundierte, auch ethische Begründungen findet für ein Handeln, das man selbst für richtig erkannt hat. Das ist eine echte Unterstützung. Aber ich finde, dass sich die EKD gerade auch an den Schnittstellen, z.B. bei den Beiträgen von Fachleuten aus der Zivilgesellschaft zum Aktionsplan, noch besser auf der Grundlage dieser Aussagen einbringen könnte.

Ich würde mir das jedenfalls wünschen.

 

Vielen Dank!